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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Zigeuner«, hauptsächlich wohl, weil sie fürchtete, daß unser eigenes Lebenskuddelmuddel durch den Umgang mit ihnen noch vergrößert würde. Es hatte einiger sehr ernster Aussprachen bedurft, um sie wenigstens zu einer Art bewaffneter Neutralität zu bekehren. Als Dame alter Schule ließ sie sich von alledem nichts merken und wurde von Stefan und Renate mit ahnungsloser Familiarität behandelt.
    Stefan nahm sie beim Arm: »Ah — die Mami — gleich mal herkommen — ansehen!« Er führte sie vor seine Schöpfung: »Na
    — was sagen Sie?«
    Die Mama schluckte und warf um Stefans Brustkasten herum einen hilfesuchenden Blick auf mich.
    »Sehr schön in den Farben«, sagte sie dann. »Nur...«
    »Nur?« Stefan schoß einen triumphierenden Blick zu mir herüber und preßte sie an sich.
    »Nur«, stammelte die Mama, »die rechte Seite vom Haus ist — so etwas schief!«
    Stefan drehte sie mit einem Ruck zu sich herum und bohrte seinen Blick in ihre Augen: »Haus?«
    »Ja — ist denn das nicht unser Haus?« fragte die Mama, nun völlig verwirrt. Ich fiel in den Sessel und konnte mich nicht mehr halten. Ich brüllte vor Lachen.
    »Hör auf!« schrie mich Stefan an. »Das verdient sie nicht!«
    Ich keuchte. Um ein Haar hätte ich gesagt: »Aber ich lache doch über dich!« Doch das hätte ihn zu sehr gekränkt.
    Stefan sah wieder die Mama an. Sein Blick war eine Mischung aus zärtlicher Güte, Gram und Mitleid.
    »Mama!« sagte er. »Sie sind eine großartige Frau, aber Sie haben zwei schwere Fehler.« Er wies mit dem Daumen auf mich: »Erstens haben Sie diesen blökenden Idioten in die Welt gesetzt. Und außerdem — völliger Mangel an abstrakter Vorstellung. Ab-so-lut gefangen im Gegenständlichen. Verschüttet. Schade, Mami.«
    Er wandte sich zu mir um: »Weffi!«
    »Was ist mit Weffi?«
    »Gib ihn mir bald, ehe er dir ähnlich wird.«
    Ja, und dann war da noch Professor Paul Kluge, Chefarzt im Benediktinerkrankenhaus. Er trug sein fahlblondes Haar in der Mitte gescheitelt, eine altmodische, goldgeränderte Brille und war für gewöhnlich nur im weißen Kittel sichtbar, gefolgt von einem Schwarm Schwestern und Assistenten. Er wirkte konzentriert, sachlich und extrem nüchtern. Seine Rauheit war bei den Studenten gefürchtet. In den wenigen Stunden aber, wo man ihn mal seiner chirurgischen Passion entreißen konnte, zeigte er überraschende Seiten. Es erwies sich, daß seine langen, sensitiven Hände nicht nur Blinddärme und Tumore beseitigen, sondern auch Klaviersonaten spielen konnten. Des weiteren liebte er gute alte Weine, kräftige Witze und war Junggeselle aus Überzeugung. »Die Ehe«, erklärte Paul, »ist eine Zwangsvorstellung!« Weswegen man ihn für einen Zyniker hielt. Ich bezweifelte stets, daß er es wirklich war, und vermutete statt dessen, daß sich hinter diesem Zynismus nur ein tief und unheilbar verwundetes Herz verschanzen wollte. Ich wußte, daß ihm eine über alles geliebte Verlobte, eine begnadete Pianistin, unter den Händen gestorben war, als er sie an einem Gehirntumor operierte. —
    Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft an ihm war, daß man ihn, wenn man einmal seine Freundschaft errungen hatte, jederzeit und ohne Einschränkung in Anspruch nehmen konnte.
    Nach einem Bummel bei ihm schlafen, weil einem der Nachhauseweg zu weit war? »Hau dich da auf die Couch. Hier, ein Pyjama, Rasierzeug im Bad, Schnarchen verboten.« Geld pumpen? »Wieviel?« Er war böse, wenn man sagte: »Ich gebe es dir in spätestens einer Woche zurück.«
    Am meisten aber freute mich, daß er unsere Gastfreundschaft genauso selbstverständlich in Anspruch nahm, wie er die seine gab. Manchmal brauste er bei uns durch, ohne daß wir ihn überhaupt zu Gesicht bekamen. Dann kam er so über Mittag, wenn wir unterwegs waren, ließ sich von Mathilde, die ihn in sklavischer Verehrung anbetete (ich weiß wirklich nicht, warum zynische Junggesellen immer so besonders angebetet werden), etwas zu essen machen, tankte aus der Hausbar, steckte sich eine Handvoll von meinen Brasil ein und fuhr weiter. Mitunter nahm er sich auch ein neues Hemd von mir und Taschentücher. Manchmal sahen wir uns ein Vierteljahr nicht, aber wenn es dann endlich wieder mal klappte, war es, als seien wir erst gestern auseinandergegangen.
    Seine im Augenblick wertvollste Eigenschaft aber bestand darin, daß er von allen drei Hunden Peterle am meisten liebte. Er pflegte ihn mit seinen Chirurgenhänden abzutasten wie einen Patienten: »Prachtvoll,

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