Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
Stunde war bereits die Frühstückspause gekommen, die ja von Umzugsleuten mit dem feierlichen Zeremoniell einer japanischen Teestunde begangen wird. Sie setzten sich in der schon etwas dünnen Herbstsonne auf die hintere Veranda, stülpten die Bierflaschen in den Mund und packten das Frühstück aus, das sie mit Taschenmessern in Würfel schnitten. Cocki graste mit dem Ausdruck eines verhungerten Waisenknaben Mann für Mann gewissenhaft ab, schlang mit Todesverachtung Brothäppchen und schielte dabei nach den Wurststücken, die sie sich genüßlich in den Mund schoben, ganz offensichtlich ohne daran zu denken, daß ein Hund auch Wurst frißt.
    Ich ging, von Weffi begleitet, nach oben und fand Frauchen, die ihre Koffer packte. Mathilde und die Mama klapperten in der Küche. Dann ging ich schnell zu Prächtig in die Garage, um mich moralisch aufzufrischen. Schließlich wanderte ich wieder nach hinten zur Veranda. Der Himmel war blaßblaue Seide, mit langgeschwungenen Föhnfahnen darin. Aber ich sah ihn nur wie durch eine dicke Glasscheibe. Die Dahlien auf den Beeten — hinten die Rotbuche —, alles wie in einem Traum. Jetzt war auf der Veranda das Frühstück zu Ende. Die Männer standen auf und stampften gewichtig ins Haus zurück. Nur einer blieb zurück und suchte etwas: »Ja mei — da war doch noch die Wurscht —, habt’s ihr die Wurscht nöt g’seh’n?« Er erhielt keine Antwort und folgte kopfschüttelnd den anderen. Hinter mir hörte ich es schlappen. Cocki stand am Bassin und soff. Die Wurst schien ziemlich gepfeffert gewesen zu sein.
    Jetzt kam auch Peter aus seiner Ecke und steckte neben Cocki seine kleine dunkelrote Zunge in das Wasser. Auch Weffi kam angetrabt, ließ sein Bällchen ins Wasser fallen, wo es hin und her schaukelte, und trank. Die beiden anderen sahen ihn mißbilligend an und drehten ab. Ich blieb noch eine Weile stehen und sah mich um. Am liebsten hätte ich das alles in mein Herz einbrennen mögen. Die letzte Rose, die aussah wie Blut, war nun auch verschwunden. In meinen Eingeweiden fühlte ich mich ganz leer und leicht. Ich ging ins Haus zurück.
    Eben kamen die Umzugsmänner aus der oberen Etage, wo sie mit dem Ausräumen fertig waren, in die Diele herunter.
    »Gleich mal die Kommode hier!« sagte ihr Anführer, ein Mensch mit Schultern wie ein Berg und einem traurigen Seehundsbart. In diesem Augenblick, wie durch Telepathie herbeigerufen, schoß Cocki aus der Küche, schlidderte unter die Kommode und fuhr von dort mit gefletschten Zähnen gegen die Stiefel der Leute. Der Seehund sah mich an: »Beißt er?«
    Ich konnte den Mann nicht leiden in diesem Augenblick. Mich hatte schon den ganzen Morgen die gleichgültige Geschäftsmäßigkeit geärgert, mit der dieser Verein mein Leben auseinandernahm und in eine fahrbare Kiste steckte. Als ob man ein ganzes Leben, ein Leben von sieben Jahren, so einfach wegpacken könnte! Und dann diese flaschenbiersaufende Frühstücksfröhlich-keit inmitten meiner Ruinen. —
    »Wenn Sie ‘runterfassen, beißt er natürlich!« sagte ich spitz. Aber dann riß ich mich zusammen: Was erwartest du eigentlich, Idiot? Daß sie in Tränen ausbrechen, wenn sie deine Klamotten schleppen? Ich räusperte mich: »Aber Sie brauchen bloß die Kommode anzuheben. Sobald er nichts mehr über sich hat, ist er friedlich.«
    Der Große grinste: »Seine Höhle, was?«
    »Woher wissen Sie das? Haben Sie auch Hunde?«

    »Einen, ‘nen Schäferspitz. Nich so ‘nen echten, aber treu! Und klug is der, kann ich Ihnen sagen!«
    Plötzlich wurde mir der Seehund sympathisch. Er und ein kleiner Dünner mit einem Glasauge hoben die Kommode vorsichtig an. Cockis Gebrüll steigerte sich zur Raserei. Er hatte Schaum vor dem Maul. Noch nie war er so wütend gewesen, und er hatte mir doch schon allerhand Wutanfälle vorgeführt.
    Die Männer schwenkten die Kommode herum, und mit einem Ruck war Cocki still. Wo eben noch seine Höhle stand, gab’s jetzt nur noch Luft und einen hellen Fleck an der Wand. Zwei verschimmelte Knochen lagen kahl und unmotiviert an der Fußleiste zwischen grauen Staubflocken. Cocki ließ die gesträubten Stirnhaare herunter, legte die Ohren nach hinten und roch an den Knochen. Dann wandte er sich um und warf mir einen halb ratlosen, halb verachtenden Blick zu: »Und das hast du erlaubt!« Er watschelte in die Küche zurück. Ich starrte ihm lange nach. Ja, so ging es, wenn man stürzte. Der eigene Hund verachtete mich.
    Die Männer begannen jetzt das

Weitere Kostenlose Bücher