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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Peter schnüffelten in den vielen Höhlen, die sie bildeten. Dann bekamen sie eine Spur und tobten weg. Ich saß am Wegrand in der schrägen Nachmittagssonne und döste vor mich hin. Plötzlich sah ich vor mir, in einem vorstoßenden Waldzipfel, etwas springen. Es war etwas Dunkles, das immer nur mit dem Rücken auftauchte. Ein Hase? Nein, zu groß und auch ganz andere Bewegungen, geschmeidige, wie eine kleine dunkle Welle oder eine Schlange. Jetzt schoß keckernd ein roter Blitz einen Baum hinauf. Kleine angerissene Rindenstückchen rieselten hinter ihm zu Boden — ein Eichhörnchen. Und da wieder das Dunkle, Große! Es kam jetzt aus dem Dickicht und stand windend am Fuß des Eichhörnchenbaumes: ein Marder, ein großer Marder! Noch nie hatte ich einen Marder so nahe gesehen.
    Ich saß, hielt den Atem an und ärgerte mich, daß ich wieder mal die Kamera nicht zur Hand hatte. Welch gefährliche, böse Grazie in diesem Geschöpf, wie es da den Oberkörper schnuppernd hin und her bewegte und in geschmeidigen Sprüngen den Baum umtanzte! Jetzt hatte er die Spur — und wie ein Blitz schoß der dunkle Strahl den Baum hinauf. Oben flog das Rote aus dem Gipfel in den nächsten Baum, und da schoß auch schon der dunkle Blitz hinterher. Er flog zehn, zwölf Meter durch die Luft, gleich auf den übernächsten Baum. Angstvoller das Gekecker des Eichhörnchens. Die wilde Jagd verlor sich in den Wipfeln. Ich starrte ihr mit offenem Munde nach. Plötzlich Brechen von Gestrüpp, Hecheln. Meine beiden waren da, Peterle zuerst. Er richtete sich am Baum hoch, sah mich dann an: »Nichts zu machen!«
    Er kam zu mir und setzte sich neben mein Knie. Der Dicke richtete sich auch am Baum auf, kratzte wütend mit den Tatzen, hockte sich dann auf die Hinterkeulen und schimpfte den Stamm hinauf.
    »Na, Kinder«, sagte ich, »dann mal weiter.«
    Ich hatte kaum die Wagentür auf, da waren sie schon beide drin. Ich brauchte keine meiner fürchterlichen, niemals verwirklichten Drohungen auszustoßen. Jetzt hatten sie nur noch mich und den Wagen — und eine Todesangst, daß sie diese beiden Zufluchten verlören.
    Es ging noch immer bergauf. Der Wald verwandelte sich in Latschenkiefern, die niedrig und von den Fäusten des Höhenwindes verdreht auf Buckelwiesen wuchsen. Und da: in eine Mulde geduckt ein Gebirgsdorf, niedrig um die Zwiebelkirche geschart. Große Steine auf den grauen Dächern. Das mußte Stephanskirchen sein. Es war es auch. Ich ließ mir im Wirtshaus sicherheitshalber noch mal den Weg sagen. Er führte zwischen Kuhweiden hindurch, bis ich schließlich an einem kaum leserlichen Holzschild bremste: Zur Talmühle.
    Ich ließ die Hunde im Wagen, als ich ausstieg, und nahm nur das Fernglas mit. Dann stieg ich noch zwanzig Meter höher bis an den Rand der Buckelwiese — und blieb überwältigt stehen. Vor mir ein tief eingerissenes Tal, durch das sich ein ziemlich reißender und breiter Bach wand, eher schon ein kleines Flüßchen. Daran lagen zwei Gehöfte. Hinter dem Tal stiegen wieder die Wiesen auf, und dahinter ragte das Hochgebirge. Was für ein Hochgebirge! Es schien zum Greifen nahe, obwohl es noch Kilometer entfernt war. Eine ungeheure, unabsehbare Wand steiler Felstürme, merkwürdig gewulstet und oben zusammengezwirbelt. Es schien mir, als habe in der Urzeit eine Riesenfaust sie aus der Erde herausgedreht und dann oben noch mal zu dritt und viert zusammengebogen, daß sich ihre Spitzen gegeneinander neigten. Schon auf der Hälfte der Wand, die durch abenteuerliche Scharten unterbrochen war, lag ewiger Schnee. Die obersten Spitzen ragten noch weit über die Wolkenkette hinaus, die langsam an ihr vorbeizog und deren Schatten den Fels darunter fast schwarz erscheinen ließ. — Die Burg des Bösen am Ende der Welt, schoß ein Gedanke durch mein Gehirn. Aber ich fürchtete ihn nicht. Ich genoß seine Schönheit. Ich habe die Natur niemals gefürchtet,

    auch nicht in ihren wildesten Ausbrüchen. Nur das bewußt Böse fürchte ich, und das gibt es ja, Gott sei Dank, nur im Menschen.
    Apropos Menschen: Ich nahm das Glas und sah mir erst mal die Situation da unten im Tal an. Aha: Das da war wahrscheinlich die Talmühle, die diesem komischen Anselmus Widderhals gehörte. Großes Haus, Scheune und Stall im Rechteck darangebaut. Der Bach floß unter dem Gehöft durch, wahrscheinlich durch so ‘ne Art Tunnel. Vor dem Haus, direkt am Weg, ein kleines Gärtchen mit bunten Blumen. Auf der Wiese davor allerhand Geflügel. Das erforderte

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