Alle lieben Peter
mit der Haar kröne drückte mir fest die Hand und sah mich ebenso fest an. »Sie ist Hausschneiderin!« erklärte der Vater stolz. »Und das hier ist die Marianne.« Es war eine etwas schlankere und sanftere Ausgabe von Kathrein. »Sie macht mit der Mutter die Wirtschaft. Und das hier ist Zenzi. Sie soll mal ins Gymnasium und Klavierspielen lernen, und zeichnen kann sie auch sehr schön.« Zenzi hatte einen prachtvollen langen Zopf vorn über der Bluse und machte einen Knicks, als sie mir die Hand gab. Ihre Augen waren tiefblau.
»Und das hier ist Polli«, sagte abschließend der Vater und deutete auf etwas enorm Dickes, ungefähr Zehnjähriges mit Apfelbacken. Es schüttelte mir die Hand wie ein Ringkämpfer und grinste mich genauso verschlagen an wie der Vater. Der seufzte jetzt: »Also, da wollen wir mal ‘reingehen und über das Geschäftliche reden. Ihr ladet inzwischen aus! Und du, Mutter, bist wohl so nett und kümmerst dich um das Abendbrot für unseren Gast.«
Er führte mich in ein Eckzimmer, das die Spuren starker Benutzung zeigte, aber sonst blitzsauber war. Schöne Eichenmöbel. Sobald wir allein waren, grinste er mich wieder auf Gaunerart an, ging zum Schrank, holte eine dunkelgrüne Flasche ohne Etikett und zwei Gläser heraus und meinte: »Na, dann wollen wir mal erst!«
Wir stülpten die erste Serie. Mir blieb etwas der Atem weg.
»Gell, da staunst?« sagte er. »Selbstgebrannt, fünfzig Prozent. Na, noch mal, weil’s so schön war!«
Wir stülpten die zweite Serie. Die bekam mir schon bedeutend besser. Ich geriet in eine Art hellsichtigen Zustand, und ein ungeheurer Optimismus breitete sich in mir aus. Draußen war ein Geräusch. Er räumte schnell Gläser und Flasche weg und setzte sich mit Sorgenmiene an den Tisch. Kathrein erschien, schnupperte in der Stube umher und ging mit einem Lächeln in den Mundwinkeln wieder ‘raus. Beim Rausgehen strich sie dem Vater über den Kopf. So richtig nett. Nach fünf Minuten waren wir über alles einig, und eine Stunde später saß ich vor meinem Abendbrot im Wohnzimmer. Die Familie tafelte derweilen in der Wohnküche jenseits des Ganges. Nach drei Bissen nahm ich mein Bier und meine Aufschnittplatte und ging hinüber: »Das ist mir viel zu stumpfsinnig allein«, sagte ich, »darf ich bei euch...?«
Polli rückte beiseite, und ich quetschte mich an den Tisch. Drüben gab es Leberknödel. Ich tauschte von Polli zwei Stück gegen rohen Schinken und Käse ein, und dann futterten wir zufrieden wie eine glückliche Familie. Die Abendsonne warf roten Schein auf die Kuckucksuhr, die drei Hunde gingen einträchtig kassieren, im Hintergrund rumorten die Turbinen — ich kam mir vor wie der verlorene Sohn nach der Heimkehr.
Schließlich, als wir mittendrin waren, polterte es, und es erschien ein mächtiger Brocken von jungem Burschen. »Das ist der Matthias«, erklärte mir Meister Anselm, »unser Müllerbursch. Er bläst in der Trachtenkapelle!« fügte er stolz hinzu.
Matthias quetschte mir die Hand und sich selber dann auch noch an den Tisch. Nach dem fünften Leberknödel schien er einigermaßen in Fahrt zu kommen. Es waren aber keine weiteren mehr da, und so stillte ihn die Mutter mit drei kalten Kartoffelpuffern. Anschließend machte ich noch einen Abendspaziergang und fiel dann in ein großes Nußbaumbett. Von der Wand sahen mich Vater und Mutter Widderhals an, als Brautpaar. Er mit hochgedrehtem Schnurrbart, sie als Schmaltier mit Kränzchen. Koloriert. Mußte mal ein bildschönes Kind gewesen sein.
Ich hatte Peterchen und den Dicken vor den Augen Kathreins ostentativ auf ihre Deckchen gelegt. Natürlich wollten sie zu mir ins Bett, aber diesmal ließ ich es nicht zu. Es war so schön sauber und frisch hier und die Leute so nett. Wir einigten uns auf der Mitte, das heißt, sie schliefen auf dem Sofa unter dem Brautpaar.
Als ich aufwachte, war es neun Uhr fünfzehn, und die Sonne schien mir ins Gesicht. Ich richtete mich auf und brauchte eine Weile, um mich zu orientieren. Die beiden auf dem Sofa schliefen noch wie die Säcke. Da ertönte ein schriller Trompetenton. Peter war sofort hoch und knurrte. Auch der Dicke hob den Kopf. Noch ein Ton. Er rutschte zum Schluß ab und ging mir in die Zähne. Ich stand auf und trabte ans Fenster. Auf der Bank vor dem Haus saß Matthias und blies. Neben ihm Zollo mit schiefem Kopf. Rundherum wanderte das Geflügel. Im Hintergrund grunzte etwas. In einer tollen Fahrt kam eine dicke Sau angeschossen, durchfuhr die
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