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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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‘n paar ruhige Mieter nehmen. Nur nicht mit Hunden. Darin sind die mit den neuen Häusern ja am schlimmsten. Aber vielleicht nehmen sie die Frau Mama mit dem kleinen Weißen hier!«
    »Meinen Sie?«
    »O ja, ich meine. Der Arthur ist nämlich gleich bei mir gewesen, nachdem ihr hier aufgekreuzt seid, und hat mir Vorwürfe gemacht, weil er mir doch die Postkarten vom Gasthaus so billig geliefert hat voriges Jahr. >Arthur<, habe ich gesagt, daß man, die werden bei den Kajetans nicht alt, und dann denk’ ich an dich.< Wenn Sie hinfahren — jetzt kriegen Sie ‘n gerade. Nachher ist er wieder im Pfarrhof. Er ist nämlich auch Mesner.«
    Ja, so war das also. Man kommt als Fremder in so eine kleine Stadt oder ein Dorf, und man glaubt, daß man ganz allein ist und keine Seele sich um einen kümmert. Und dabei verfolgen hundert Augen jede Bewegung, und in den Berechnungen von Hunderten spielt man die Rolle einer Schachfigur, die mal hier und mal dort eingesetzt wird. Und das Ganze, das einem da gegenübersteht und einen umspinnt, ist ein hundertfach verschlungenes Netz von Verwandtschaft, Freundschaft und Geschäft. Erst nach Monaten kommt man so allmählich dahinter, aber es dauert Jahre, bis man ein Teil dieses Netzes ist — falls man Wert darauf legt und so lange aushält.
    Die Sache mit Arthur Renke klappte. In einer Viertelstunde waren wir uns einig, und in einer weiteren Viertelstunde hatte ich die Mama in einem reizenden Zimmer mit einem urgemütlichen braunen Kachelöfchen etabliert. Ich verbot ihr, an den Wagen zu kommen und uns nachzuwinken, um ihr gutes altes Herz zu schonen. Als ich ihr Lebewohl sagte, saß sie in Renkens Wohnküche, Weffi auf dem Schoß, den fünfjährigen Gottfried, einen struppelhaarigen Schielebock mit Bleibrille, an ihr Knie geschmiegt. Alle drei aßen die Schnecken, die ich zum Nachmittagskaffee gestiftet hatte.
    Dann rollte Prächtig davon. Der kleine Löwe hatte jetzt mehr Platz auf dem Rücksitz, und Peterle schwelgte auf der Leere des Vordersitzes neben mir. Mir aber war gar nicht wohl. Ich fror. So ganz mutterseelenallein, nur mit diesen beiden Hundekindern und völlig unzureichenden Kenntnissen in Haushaltsdingen — dazu nicht wissend, wo ich am Abend schlafen würde. Was hatte ich eigentlich verbrochen, daß mich das Schicksal so herumjagte!?
    Hoi — das war ja ein ganz verdammtes Schlagloch. Entschuldige, Prächtig, ich fahre schon langsamer.
    »Stephanskirchen« — hatte die kleine Frau Renke gesagt. »Fahren Sie erst nach Stephanskirchen und fragen Sie dort nach der Talmühle. Mein Vetter dort bringt Sie vielleicht unter. Er hat jetzt sicher keine Gäste mehr. Anselm Widderhals heißt er. Ungefähr vierzig Kilometer von Waldenau.« Anselm Widderhals — wie ein Mensch nur so heißen konnte! Klang wie Mittelalter. Wahrscheinlich so ein Büffel mit einer Matratze auf der Brust und einem breiten schwarzen Kinnbart.
    Ja, also das Schicksal. Hm. Übrigens, eins war auffällig: Immer, wenn es sich an einem Hindernis verschlang und gewissermaßen einen Knoten machte, war es rückblickend zum Besten gewesen. Ja, es hätte eigentlich gar nicht anders sein können. Der es steuerte, wußte schon, was er tat. Nur ich hatte es nie begreifen können, hatte gezerrt und gezappelt, mich auf die Erde geworfen und schleifen lassen, wie Cocki, wenn ihn der Bock stieß. Wie wär’s, wenn ich endlich mal meine Vernunft gebrauchte und mich dem wohlmeinenden Schicksalssteuermann dankbar erwiese, indem ich ihm vertraute? Also, reiß dich zusammen, alter Kerl — wird schon schief gehen! Ich riß mich zusammen und tauchte wieder in der Gegenwart auf.
    Der Weg führte genau ins Hochgebirge hinein, und wie ich so dahinrollte und es immer romantischer und gewaltiger wurde, vergaß ich sehr bald meine Verlassenheit. Erst ging’s durch dichte Wälder, zwischen denen der holprige Weg niemals trocken wurde. Einmal schnürte ein Fuchs vor dem Wagen vorbei. Peterchen hatte ihn sofort entdeckt, und minutenlang gellten meine Ohren von dem Doppelgebrüll der beiden.
    Dann wurde der Wald ab und zu von großen Schlägen unterbrochen, auf denen die Brombeeren reiften. Allmählich wurde er lichter, die Bäume kleiner, und immer häufiger tauchten dazwischen Felsklötze auf. Wunderbar! In meiner neugewonnenen Zuversicht wurde ich übermütig und hielt, um Brombeeren zu futtern. Dabei mußte ich immer wieder diese Felsen anschauen. Sie brachen aus dem Moos wie die Rückenwirbel eines uralten Drachen. Cocki und

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