Alle lieben Peter
mochte, davon bearbeitet zu werden. Ich rief nach der Sennerin, aber die war ja in der Hütte und hörte mich wohl nicht. Statt dessen kam Peterle heraus und sah sich suchend um. Ich rief abermals — da hatte er mich entdeckt. Er stutzte. Kühe waren ihm immer unsympathisch gewesen. Er wich ihnen stets in weitem Bogen aus. Jetzt stand er zaudernd da.
Der junge Stier streckte schnaubend den großen Kopf gegen mich. Der Dicke fletschte schweigend die Zähne, wagte aber nicht zu bellen, sondern preßte sich eng an mich. Er zitterte. »Na na!« sagte ich und krabbelte den Stier auf der Nase. Er senkte den Kopf. Ich wußte nicht, wollte er stoßen oder auch zwischen den Hörnern gekrabbelt sein. Ich nahm zunächst mal das letztere an und krabbelte ihn, worauf er mit den Vorderhufen auf die unterste Holzlage stieg und uns beiden nun noch näher war. Mir begann ganz ungewöhnlich mulmig zu werden, und ich verspürte ein gewisses Drängen in den Eingeweiden. »Höööh!« rief ich laut, wie ich es von den Hirten gehört hatte. Der Kreis der Kühe wich etwas nach außen. Aber der Stier rührte sich nicht.
»Mizi!« rief ich. »Mizi!« Keine Antwort.
Und dann plötzlich kam Peterle. Er stieß sein tiefstes Röhren aus und stürzte sich in den Ring der Kühe. Sie wichen zur Seite und senkten die Hörner gegen ihn. Aber er war wie ein Blitz unter ihnen und fuhr ihnen gegen die Schnauzen. Da gingen sie zur Seite, galoppierten davon und schlugen nach allen Richtungen mit den Hinterhufen aus. Darauf stürzte sich Peter auf den Stier und kniff ihn ins rechte Hinterbein. Das Riesenvieh war mit einem Satz vom Holzstoß herunter und ging auf Peter los. Aber ehe er noch die Hörner ganz herunter bekam, hatte er den kleinen schwarzen Hund wie eine Natter an seiner empfindlichen Schnauze hängen. Er brüllte kurz auf und hob den Kopf. Peter ließ sich herunterfallen und saß ihm nun wieder am rechten Hinterbein. Der Stier schlug aus, Peterchen flog wie ein Bündel weg und überschlug sich dreimal. Er hinkte, als er aufstand, aber er ging wieder zum Angriff vor.
Es war nicht mehr nötig. Der Stier trabte ärgerlich weg und begann in der Entfernung zu grasen. Peterle blieb stehen, das Schwänzchen jetzt gekrümmt, das linke Hinterbein hochgezogen. Ich kletterte von dem Holzstapel herunter. Mizi kam aus der Hütte: »Sie haben gerufen?«
Ich wollte ihr schon Peterchens Heldentat erzählen, aber dann dachte ich an die gebissene Schnauze des Stiers.
»Ich wollt’ nur zahlen«, sagte ich.
»Zwanzig Pfennig.«
»Servus, Mizi!«
»Pfüat di!«
Wir stiegen weiter bergab, bis wir außer Sicht waren. Dann setzte ich mich hin und lobte ihn maßlos: »Peterle, du bist ein Held, ein ganz richtiger, weil du doch solche Angst hattest und uns trotzdem zu Hilfe kamst! Ein Held ist, wer es trotzdem tut!« Dann massierte ich vorsichtig seinen Hinterschenkel. Als ich ihn auf die Erde setzte, ging’s schon wieder.
Nach einer halben Stunde waren wir bei den Brombeerhecken. Sie wuchsen am Rand der unteren Alm, dort, wo schon wieder der richtige Wald anfing. Es waren Riesendinger, kohlschwarz, eiskalt und wunderbar süß. Ich ging in die Hocke und futterte drauflos. Peterle hatte erst einen Maulwurfshügel aufgegraben, und der Dicke hatte das gleiche zwanzig Meter entfernt getan. Dann war er zu Peter herübergewatschelt und hatte ihn von seinem Loch vertrieben. Peterle kam mißmutig zu mir, das schwarze Naschen noch ganz mit Erde verkleistert, und setzte sich neben mich. Seine Augen beobachteten aufmerksam, wie ich die Beeren futterte. Dann legte er mir ein Fliegenbein aufs Handgelenk und streckte einmal kurz die Zunge heraus: »Laß mich mal kosten!«
Ich gab ihm eine Beere, er probierte sie einen Moment vorsichtig, dann schmatzte er sie mit selig geschlossenen Augen. Wieder das Fliegenbein: »Mehr, schmeckt gut!«
Ich schob eine ganze Fuhre nach. Er leckte sich genießerisch die Schnauzenwinkel, und der Saft lief ihm genüßlich in das rote Bärtchen.
»Mein Held«, sagte ich, »mein Fünfzig-Pfennig-Held, mein kleines, süßes Äffchen! Seit wann bist du denn unter die Vegetarier gegangen? Hier...«
Nach der fünften Lieferung stand er auf. Ich vertiefte mich weiter in die schwarze Pracht, bis ich nicht mehr konnte. Dann setzte ich mich auf einen Baumstumpf und sah um mich. In der Beuge des Stumpfes wuchs ein Fliegenpilz, knallrot mit dicken weißen Zuckerbrocken bestreut, wie aus dem Märchen. Was machte denn Peter da? Er stand im
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