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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Brombeergesträuch, den einen Vorderfuß vorsichtig hochgehoben, wegen der Dornen, steckte sein Schnäuzchen ganz behutsam in das Gerank und fraß auf eigene Rechnung Brombeeren. Dabei klappte er die Lefzen hoch und zog sie ganz vorsichtig mit den Haifischzähnen von den Zweigen. Jetzt kam auch der Dicke, der ungefähr einen halben Meter tief in der Erde verschwunden war und das Herausgebuddelte sehr enttäuscht beschnuppert hatte. Er streifte mich mit einem kurzen Blick. Seit dem Erlebnis mit den Kühen war er etwas verlegen, als fühle er, daß seine Rolle dabei nicht gerade rühmlich war. Dann ging er zu Peter hinüber, sah ihm zu und begann schließlich auch Brombeeren zu fressen. Er tat es jedoch nicht so vorsichtig, sondern brach krachend in das Dornengesträuch, Ranken, die ihm im Wege waren, ärgerlich zur Seite tatzend. Dann schmatzte er wie ein Eber. Der rote Saft lief auch ihm an den Lefzen heraus.
    Ich stand auf und trollte mich in den Wald. Sofort war Peterchen wieder bei mir. Er stelzte ernst an meiner Seite und sah zu mir auf: »Werde mal ‘n bißchen auf dich aufpassen, du scheinst es ja nötig zu haben!«

    Die Tage verrannen golden und entrückt. Ich schrieb ein paar Briefe, fing eine Novelle an. Wenn ich müde vom Schreiben war, erkundete ich die Umgebung. Zum Sägewerk nebenan, das einem Herrn Hürzinger gehörte, ging ich aber nur, wenn ich Gocki von dort holen mußte. Die Atmosphäre drüben war abweisend. Es war wie ein fremdes Land, obwohl es nur ein paar Meter vor unserer Tür lag. Dagegen wuchs ich immer mehr mit den Widderhälsen zusammen. Die Mutter erzählte mir, daß ihnen vor zehn Jahren ein Sohn geboren wurde. Aber er starb bald. Ich sah sie an, wie sie da neben mir auf der Bank saß, ihr schönes, reines Profil von einem Schmerz überschattet, der im Laufe der Jahre zu einer erhabenen Trauer ausgeglüht war. Trotz der vier anderen Kinder war es also unvergessen, dieses kleine Wesen. Es lebte noch immer im Herzen dieser Mutter, lebte mit allem, was es hätte werden können, wenn der Tod es nicht so früh in seinen dunklen Mantel gehüllt und auf sein Geisterroß gehoben hätte. Die Kathrein fragte mich, ob sie den Matthias nehmen solle. Ein lieber Kerl sei er wohl und ein guter Arbeiter, aber ein halbes Jahr jünger. »Ich schlag nach der Mutter«, erklärte sie freimütig, »nach dem ersten Kind werd’ ich wahrscheinlich dick und nach dem dritten...« Sie seufzte, dann blickte sie mich mit den großen blauen Augen der Mutter an: »Es gibt viele Frauen — die meisten sogar —, die trösten sich dann, wenn der Mann nach anderen schaut, und sagen sich: Ich habe doch die Kinder! Aber ich nicht. Wenn ich einen Mann nehme, will ich ihn ganz für mich. Was hat’s denn sonst für einen Zweck?«
    Ich entrang meinem Hirn einen Trost: »Vielleicht mag der Matthias aber gerade so was — hm — Molliges?«
    Sie schürzte die Lippen: »Ach, was weiß denn so ein junger Kerl, was er mag! Auf jeden Fall werde ich mir meine Schneiderei halten, damit ich immer was Eigenes hab’.«
    Marianne, die zweite, war bedeutend schlanker als Kathrein und hatte einen jungen Schreiner aus Stephanskirchen, der sonntags mit dem Motorrad kam. Ein mittelgroßer, drahtiger, dunkelhaariger und lustiger Bursche. »Die Mädels laufen ihm nach wie wild«, seufzte sie sich bei mir aus. »Möcht’ wissen, was er an mir hat!«
    »Vielleicht liebt er Sie, Marianne?«
    Sie sah mich erstaunt an: »Liebt?« Sie sann in die Ferne, und ich glaubte in ihrem Gesicht die Spuren aufkeimender zärtlicher Erkenntnis zu spüren. »Der Vater«, sagte sie, »könnte ihm das Holz drüben vom Hürzinger billig besorgen, und den Strom haben wir ja umsonst. Da könnte er hier seine eigene Schreinerei anfangen, und ich könnt’ der Mutter noch helfen.«
    Ich belächelte meine romantische Phantasie. Die Ehe war hier etwas ganz anderes. Handfeste Verbindung von Interessen. Sehr genau schätzte man sich gegenseitig ab, und war’s nicht der, war’s eben ein anderer. Liebe? Aber war das vielleicht nicht viel gesünder, als wenn man mit einer Illusion anfing und in Enttäuschung endete? Wer, im übrigen, gab mir das Recht, anzunehmen, daß nicht trotzdem Liebe dabei war? Sie waren nur vorsichtiger mit den großen Worten, diese Menschen hier.
    Die Zenzi, dreizehn Jahre alt, war ganz anders. Zierlich und schmal, wohl nach dem Vater geschlagen. Ihren Schwestern fühlte sie sich weit überlegen. »Die haben nichts als ihre Burschen im Kopf, die

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