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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Holzpferdchen zu retten. Während ich in aller Hast >Prächtig< klarmachte und die beiden auf dem Rücksitz verstaute, mußte ich unentwegt an Weffi denken. Da lebte das so mit seinen stillen braunen Äugelchen und Zottelbeinchen und seiner albernen Trompetenkläffe und sah aus, als könne es nicht bis drei zählen. Und läßt man’s dann mal allein, dann stellt sich heraus, daß es voller Liebe ist, voll so großer Liebe und Treue, daß es einfach daran stirbt. »Die Rippen stehen ihm schon ‘raus. Sein Gesicht solltest Du sehen.« Oh, ich sah sein Gesicht. Es schwebte immer vor meiner Motorhaube, schob sich zwischen mich und alle Schönheit, die sich im Dahinrollen immer neu und immer großartiger entfaltete.
    Eine Doppelzeile von Lärchen schob sich einen goldfarbenen Hohlweg entlang. Er öffnete sich in eine Ebene mit den Riesentürmen des Dreitausenders im Hintergrund. Uns entgegen trieb man das Vieh von der Alm. Die Kühe mit bunten Bänderkronen zwischen dem Gehörn, die Leitkuh gar mit einem Goldgeflecht und Glöckchen. Schon immer hatte ich einen solchen Almabtrieb mal sehen wollen. Aber selbst davor schwebten die braunen Äugelchen, die nach mir Ausschau gehalten hatten, Tag und Nacht.
    Als ich in Waldenau ankam und vor dem Haus bremste, hörte ich Weffi drinnen bellen. Dann kam er den kleinen Gartenweg zur Tür gesaust. Einmal stolperte er über seine eigenen Füße, so schwach war er. Auf meinen Schoß, mich abgeleckt! Er zitterte. Ich faßte ihn an — wirklich nur noch Knochen und Fell. »Mein Pferdchen«, sagte ich, »mein kleines weißes Pferdchen, ich schwöre dir’s, nie wieder trennen wir uns!«
    Die beiden anderen, die zunächst auf der Straße herumgerochen hatten, kamen jetzt auch wieder an den Wagen. Er sprang von meinem Schoß und beleckte beiden das Gesicht. Ich fand ihre Wiedersehensfreude ausgesprochen mäßig.
    Jetzt kam auch die Mama. Ich winkte ihr zu: »Bin gleich wieder zurück!« Dann fuhr ich zum Fleischer und kaufte ein halbes Pfund Schabefleisch.
    Wir saßen in der Stube. Sie sah aus — nun, eben wie ein Raum, den die Mama bewohnt: unendlich sauber und ordentlich, auf der Kommode mein Schafsgesicht und über allem ein leichter Lavendelduft.
    Weffi hatte das Schabefleisch auf einen Sitz verschlungen. Jetzt balancierte er auf meinem Schoß und stieß auf. Nun, da die erste Rührung und Freude vorbei waren, senkte sich wieder die dunkle Wolke ratloser Sorge auf mich nieder. Das Hauptthema. »Was machen wir mit den Hunden?« hatte ich noch nicht berührt.
    »Es gibt merkwürdige Dinge«, sagte die Mama. »Sieh dir das mal an, das kam gerade heute früh, von Tante Helene aus Bremen.«
    Tante Helene — mein Gott! Die jüngste Schwester meines Großvaters. Eine flüchtige Vision aus meiner Kindheit stieg in mir auf: ein Altfrauenheim, fast genauso pedantisch sauber, wie die Mama das ihre zu halten pflegte, eine große Keksbüchse aus Milchglas mit blauen Buckeln und einem silbernen Deckel darauf, in die ich greifen durfte, sooft ich wollte. Es waren immer kleine Rosinenkuchen drin und >Russisch Brot<. Ich futterte davon, als ob ich seit vierzehn Tagen nichts mehr zu essen bekommen hätte. Und dann war da noch eine Attraktion: die ausgestopfte Leiche ihrer Möpsin Bella unter einer Glasglocke. Ein richtiger Mops noch!
    »Meine lieben Kinder!« schrieb sie in ihrer festen, noch völlig jugendlichen Schrift. »Ich habe mit tiefstem Bedauern davon gehört, daß Ihr gezwungen wart, Euer schönes Heim aufzugeben. Dabei mußte ich an die schönen Tage denken, die ich im vergangenen fahr bei Euch verleben durfte, und wie glücklich ich war, daß Ihr Eure uralte Tante nicht vergessen habt. Vor allem mußte ich an das Peterle denken, und wie schwer Ihr es haben werdet mit den drei Hunden. Schickt mir das Peterle, ich würde glücklich sein, es Euch für eine W eile aufzuheben.«
    Ich sah die Mama an: »Ausgerechnet Peterle — der geht doch erst recht ein!«
    »Das ist nicht gesagt«, meinte die Mama. »Er lebt doch immer so ganz für sich. Ich glaube, dieser Brief ist ein Schicksalswink.«
    »Und wenn du nun Peterle nehmen würdest?«
    Ihre alten Augen sahen mich bittend an: »Ich kann’s nicht. Es geht nicht. Erstens würde er dir nachlaufen, und selbst wenn er’s nicht täte — dieses lebendige Tier, ich kann ihn doch nicht dauernd an der Leine führen. Ich würde vor Angst umkommen. Nein — es geht wirklich nicht!«
    Ich blickte wieder auf den Brief: »Ihr müßt eine schöne große

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