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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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dummen Ziegen.« Worauf sie mir trotz aller Altklugheit auf den Schoß kroch und ihren Zeichenblock entfaltete. Was für schöne, lange Hände sie hatte! So leicht war sie auf meinen Schenkeln, so golden das Haar, etwas ins Bräunliche schimmernd, und ihre Wangen mit einem ganz leichten Flaum bedeckt, wie Pfirsiche. Der kindlich schmale Nacken unter dem schweren Zopf. Ein tiefer Zweifel und eine Sehnsucht wurden in mir wach: Wie wäre das, alter Junge, wenn du auch so was hättest, so ein kleines Wesen aus deinem Blut? Ich riß mich zusammen. Das Schicksal hat es dir nicht beschert. Hadre nicht schon wieder mit ihm! Sie zeigte mir ihr Lieblingsblatt, ein Porträt der einsamen Pute. >Agathe< stand darunter, und die Zeichnung war verblüffend echt in der Haltung. Zweifellos hochbegabt.
    »Heißt sie Agathe?« fragte ich.
    Sie sah mich erstaunt an: »Natürlich — wie sonst?«
    »Natürlich«, sagte ich. Ich brauchte nicht einmal zu schwindeln. Agathe war der einzig richtige Name für diesen gravitätisch schreitenden Federturm, um den die Tragik der Kinderlosigkeit wehte. Schon wieder Kinderlosigkeit!
    »Na, zeig mal das nächste«, sagte ich schnell.
    Auch die Polli kroch gern auf meinen Schoß. Die Begegnung mit ihrem Innenleben war erholend unproblematisch.
    »Was willst du denn mal werden?« fragte ich sie.
    »Nix!« erwiderte sie fröhlich, während ihre Wurstfinger mit tiefschwarzen Nägeln an meinem Schlips zupften.
    »Von nix kann man schlecht leben.«
    »Ach, doch!« Sie dachte einen Moment angestrengt nach. »Vielleicht gewinn’ ich im Fußballtoto!«
    »Spielst du denn?« (Blöde Frage.)
    »Matthias spielt — für mein Taschengeld.«
    »So. Na, und wenn du gewinnst?«
    »Kauf’ ich mir ‘ne Konditorei!«

5

    Und dann, eines Vormittags, brachte mir der bucklige Briefträger drei Briefe.
    Der eine war von der Gefährtin. »Was ist mit unseren dreien?« schrieb sie. »Ich hätte gern einen von ihnen genommen, aber ich bekomme jetzt Extensionen, das heißt, ich werde unter den Armen aufgehängt, und ein dicker Masseur hängt sich unten dran. Alles mit dem Ziel, mein Rückgrat auszurenken und dadurch wieder in die richtige Form zu bekommen. Das ist ziemlich schmerzhaft und ziemlich anstrengend, und oft liege ich den ganzen Tag danach. So kann ich leider keinen der Hunde hernehmen, ganz abgesehen davon, daß die Hin- und Rückreise sehr teuer wäre.«
    Der andere Brief war von Sophie aus München, einem älteren Mädchen, mit dem uns eine vieljährige Freundschaft verband. Sophies Tragödie bestand darin, daß sie einen Meter dreiundneunzig lang war und infolgedessen bis dato keinen Abnehmer gefunden hatte. Jedenfalls keinen, der ihr zusagte. Einmal war einer mit zwei Meter zehn gekommen, aber der hatte ein Leberleiden, lebte diät und war deshalb ständig schlechter Laune. Später war ein kleiner Ehrgeiziger, Dicker mit einem Meter zweiundsechzig aufgetaucht, aber das war ihr denn doch zu albern.
    »Warum nimmst du ihn denn nicht?« hatte ich sie damals gefragt, brüderlich bedacht auf ihr Wohlergehen.
    »Ich möchte nicht gefragt werden: >Was hängt Ihnen denn da an der Seite ‘raus — ach so, ist ja Ihr Mann!<« hatte sie erwidert.
    Die gute Sophie — pflichtgetreu, ordentlich, sauber, ein unheimlicher Arbeiter und ein Mensch voll ätzender Selbstkritik, der ein besseres Schicksal verdient hätte. Sie habe, schrieb sie, eine neue Stellung in Bremen gefunden und gedenke, in Kürze dorthin zu übersiedeln. Wie es uns denn gehe. Sie habe sich oft Gedanken gemacht und so weiter und so weiter. Na ja, also schön.
    Der dritte Brief war von der Mama: »Mein lieber Junge, es geht mir ja soweit ganz gut, aber leider kann ich nicht dasselbe von Weffi berichten. Das arme Tier geht vor Sehnsucht kaputt. Er frißt kaum und rennt auf jeden langen Lulatsch zu, weil er glaubt, Du bist es. Das Gesicht solltest du sehen, wenn er dann merkt, daß Du es nicht bist! Die Rippen stehen ihm schon heraus, und er ist so schwach, daß man ihn mit einem Finger umwerfen kann. Ich weiß nicht, was Du machen willst, aber Du mußt etwas für ihn tun. Komm her. Es umarmt Dich Dein altes Mulleken.«
    Ich starrte auf diesen Brief und sah dann zum Fenster hinaus.
    Was jetzt? Mit einem dritten Hund konnte ich hier unmöglich auftauchen. Den Dicken bei der Mama lassen? Dieser reine Jagdhund, dieser Oberbummler und völlig unzähmbare Diktator — mit der Mama?! Einer ging dabei sicher drauf, und zwar sehr schnell.
    Erst mal hin, um mein

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