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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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nun mal miteinander verwandt ist. Aber wenn’s mal ganz hart auf hart geht, dann funktioniert doch und bis zuletzt — die Familie. Wenn es wirklich eine ist.
    Ich nehme also Dein Angebot an und komme damit zu Peter. Bitte, nimm es mir nicht übel, wenn ich Dir so eine Art Gebrauchsanweisung gebe. Aber es ist ja schon einige Jahrzehnte her, seit Dein Mops in die ewigen Jagdgründe übersiedelte. Außerdem gibt es für die Behandlung von Hunden keine allgemein gültigen Regeln. Ich meine damit weniger das Fressen und die Körperpflege als das Seelische. Hunde sind womöglich noch größere Individualisten als die Menschen, das heißt, sie sind meist ungebrochener in ihrer Eigenart, weil es bei ihnen keine so gleichmacherischen Dinge gibt wie Büro, Fließband, Politik oder Mode. Peter zumal ist der Individualist aller Individualisten. Manchmal glaube ich, er empfindet so stark, liebt so heiß, daß er Angst hat, in seinem eigenen Gefühl zu ersticken. Darum wundere Dich nicht, wenn er sich aus Deiner Umarmung plötzlich losreißt. Es ist nicht Lieblosigkeit. Genau das Gegenteil. Peter ist ein Lauftier. Du brauchst Dir nur seine langen, schlanken Beine anzusehen und seine harten Schenkel zu fühlen. Über eine Wiese dahinzufliegen, ist ihm Rausch und Erfüllung eines seiner großen Lebensgefühle. Führe ihn deshalb so wenig wie möglich an der Leine, laß ihn toben! Je mehr Freiheit Du ihm gibst, desto williger wird er zu Dir zurückkehren.
    Versprich ihm nichts, was Du nicht halten kannst. Man soll einen Hund ebensowenig enttäuschen wie einen Menschen, denn seine Seele ist wehrloser und weniger geschützt, weil stärker im Glauben als die unsere. Sage ihm nicht: >Wir gehen aufs Gäßchen<, und laß ihn dann zu Hause. Erzähle ihm nicht: >Herrchen kommt!< und dann komme ich nicht.
    Es wird sowieso schwer genug für ihn sein. Ich darf gar nicht daran denken und frage mich Tag und Nacht, ob ich richtig daran tue, gerade ihn wegzugeben, und ob ich die Zeichen des Schicksals, das mir jetzt gerade Deinen Brief schickte, richtig gedeutet habe. Wie wenig man doch im Grunde von den wesentlichen Dingen weiß und was für ein armseliger Hanswurst man ist, wenn’s drauf ankommt!
    Nur eines weiß ich, daß Du mir helfen willst, und das ist schon sehr viel. Hoffentlich wird es Dir mit Peterles Zuneigung vergolten. Sei lieb zu ihm.
    Dein ziemlich unglücklicher
    Hannes.«

    Ich starrte auf das Papier. Mein Herz klopfte. Peterle seufzte, stand auf, drehte sich einmal um sich selbst und fiel dann wieder in sich zusammen.
    »Was machst du denn da?« fragte die Mama von ihrem Bett her.
    »Gebrauchsanweisung für Peterle.«
    Die Mama sah gegen die Zimmerdecke: »Er wird es schon gut bei ihr haben.«
    »Ja — hoffentlich.«
    »Bist du fertig mit dem Brief?«
    »Ja — das heißt nein. Ich möchte noch so viel schreiben, aber mir fällt nichts mehr ein.«
    »Dann mach das Licht aus — und wüte nicht auf dir herum.«
    »Ja, Mama.«

    Am nächsten Morgen fuhr ich ohne Weffi und Cocki, nur mit Peterchen in die Hauptstadt. Abschied? Es gibt keinen Abschied zwischen uns, Peterchen, höchstens den einen, der uns von allem trennt.
    Er genoß die Fahrt auf dem Sitz neben mir. Aber ab und zu streifte mich sein fragender Blick, und als wir in die Stadt einfuhren, drängte er sich eng an mich. Er fühlte, daß irgend etwas nicht stimmte! Sophie war schon fix und fertig, als sie mir die Tür öffnete. Wie üblich war ich überwältigt von ihrer Größe, der Blässe ihrer schmalen Lippen und der Trauer in ihren Augen. Ich nahm sie in die Arme und drückte ihr ordentlich einen auf. Sie stieß mich von sich: »Gefährde nicht die mühsam errungene Selbstbeherrschung einer alten Jungfer! Peterle, mein kleiner schwarzer Floh — komm mal her!«
    Peter fuhr in dem Lift ihrer Arme einen Meter dreiundneunzig Zentimeter hoch bis in den obersten Stock und bekam dort einen Kuß. Er drehte die Negeraugen heraus und machte den Kopf schief, als wolle er sagen: »Wenn ich von hier ‘runterfalle, bin ich erledigt.«
    Sie war gerade mit dem Kaffee fertig. Ob ich auch noch eine Tasse wolle. »Nein, danke. Hier hast du seine Leine und hier ‘nen Maulkorb, manchmal sind sie auf der Bahn komisch damit und verlangen einen. Er ist zwar von Cocki und fällt ihm glatt über den Kragen, aber das macht nichts, Hauptsache, du kannst diesen Knipserseelen einen vorzeigen. Und hier hast du ‘ne Schlaftablette. Die gib ihm ein, bevor ihr abfahrt. Eine halbe genügt. Ich

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