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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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mit einem riesigen Satz über ihn weg und war wieder auf der Straße.
    Was jetzt? So ging es also nicht. So ging es überhaupt nicht. Vielleicht war Herrchen längst bei der dicken Frau und wartete dort auf ihn? Er hob das Näschen in den Wind, während der Erinnerungskompaß in seinem Kopf zu rotieren begann. Dann setzte er sich in Trab.

    »Ja, da bist du ja, Peter! Wo warst du denn? Ich war schon ganz außer mir! Wie kannst du bloß einfach weglaufen! Tut das ein artiges Hündchen? Hast du so mein Vertrauen belohnt? Pfui — schäm dich — pfui, ein Hund!«
    Peter stand da, das Köpfchen gesenkt, das Schwänzchen zwischen den Beinen. Sie gab ihm einen Klaps hinter die Ohren, der ihn fast umwarf. Aber dann wurde sie abgelenkt. Sie roch an ihrer Hand: »Pfui Teufel — und wie du stinkst! Komm gleich her — in die Badewanne!«
    Entsetzen über Entsetzen! Warmes Wasser, Seifengestank, hinterher ein Tuch, das Kissen — aber es war ihm schon alles egal. Es kam jemand. Ach, die mit der Pudelhündin! Er hörte sie auf dem Gang reden:
    »Ja, er ist wieder da!« sagte Tante Helene.
    »Haben Sie ihm ordentlich eins gegeben?«
    »Ich werde ihn nur noch an der Leine ausführen.«
    »Und außerdem eins geben. Weglaufen — das darf er nicht.«
    Peter schloß die Augen. Nach einer Weile kam Tante Helene zurück, setzte sich auf den Stuhl, sah ihn an und seufzte. Sie schlug sich auf den Schenkel: »Na, mach Hoppchen!«
    Er überlegte einen Augenblick, wedelte schüchtern und sprang schließlich auf ihren Schoß. Sie streichelte ihn und seufzte abermals: »Ach, Kerlchen, Kerlchen, was mache ich bloß mit dir? Ja, Tante Helene weiß, was Sehnsucht ist und wie Einsamkeit schmeckt. Tante Helene ist ja auch so einsam, und Tante Helene hat gedacht, sie hat nun ein kleines Jungchen, und das kleine Jungchen wird sie liebhaben.« Es fiel etwas heiß aus ihrem Auge auf seine Nase. Er leckte es ab — es schmeckte salzig. Da seufzte auch er und kringelte sich auf ihrem Schoß zusammen.
    Die Frau blieb auf dem Stuhl sitzen, ihre Hand streichelte sacht seine grauen Höschen, während ihr Blick durchs Fenster ging, vor dem der Herbstwind die letzten Blätter von den Ästen riß.

8

    Ich saß vor der Mühle und blinzelte in die Sonne. Das war nun Mitte Oktober, und man konnte noch, wenn auch mit Wolljacke, im Freien frühstücken. Cocki, der bisher unter dem Tisch gelegen und Zollo, als er mal vorbeizugehen wagte, wütend angefaucht hatte, knurrte dumpf, stand auf und ging tief gekränkt weg. Nanu? Ach so! Susanne war im Anmarsch. Die Ohren von den Augen möglichst weit weggezogen, stampfte sie heran, nonchalant mit ihren Zitzen schlenkernd. Weffi ging steifbeinig und höflich wedelnd auf sie zu und leckte ihr einmal über die Schnutenscheibe. Sie quittierte es mit einem gnädigen Grunzen, nahm dann direkt Kurs auf mich und stieß mich derb mit dem Rüssel. Ich spendierte ihr ein Brötchen, das sie mit ungeheurem Schmatzen verschlang. Dann klatschte ich ihr auf das breite Kreuz: »Schluß für heute, altes Mädchen!«
    Sie fand es aber sehr gemütlich und begann sich am Tisch zu schaben, daß alles ins Wanken geriet. Während ich krampfhaft mit der rechten Hand die Kaffeekanne umklammerte und aus dem linken Arm einen Auffangbogen konstruierte, um die Geschirrladung aufzufangen, erschien Anselmus mit dem Postboten im Gefolge.
    »Gehst du«, sagte Anselmus und montierte in Windeseile seinen linken Holzpantoffel ab. Susanne verstand sofort, zumal das hausherrliche Fußgeschoß als klatschender Volltreffer auf ihrem Hinterteil landete. Widderhals betrachtete nachdenklich seine graue Socke, aus der der große Zeh vorguckte: »Fünf Weiber im Haus«, murmelte er. Dann zog er sich seinen Pantoffel wieder an und ging ins Haus.
    Der bucklige Postbote, ein Grauhaar mit Schnapsnase und listigen Augen, die mich immer an einen Vorgartenzwerg erinnerten, setzte sich an den Tisch.
    »Guten Morgen, Herr Postminister!« sagte ich.
    »Guten Morgen, Herr von Goethe!« erwiderte er. Er langte in seine Tasche: »Da hätten wir drei Briefe. Einen von der Mama, einen von der Tante und einen von der Frau.«
    Widderhals erschien mit der Schnapsflasche. Eine meiner Zigarren hing ihm traurig aus dem Mundwinkel: »Na, da wollen wir mal!« sagte er und zu dem Postboten: »Du kannst mir wohl auch nix Gescheiteres bringen als Steuermahnungen und Reklamen!«
    Der Postbote stülpte das Glas und sah Widderhals wohlwollend an: »Wer soll dir schon schreiben, Depp, blöder!

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