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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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schmatzte er zwischen meinen Waden.
    In der Hellsichtigkeit dieser glücklichen Stunde sah ich mir meine drei an: Sie hatten fast die gleiche Größe, und auch die Grundkonstruktion war die gleiche. Aber welche Weite der Variationen bei der Ausführung! Cockis weiches Seidenhaar, lange Gehänge, breite Pfoten, starke Farben: Goldbraun und Weiß — barocke Fülle. Dagegen Weffis nervöse Drahtigkeit, ein groteskes, vibrierendes Persönchen von fast surrealistischer Komik — ein ganz moderner Hund. Und dann Peter, wie aus dunklem Eisen geschmiedet, die Schönheit und Tragik eines gestürzten Engels im Blick — ein gotischer Hund.
    Drei Augenpaare sahen mich an, drei Seelen sprachen zu mir, drängten aus diesen Augen heraus. Wollten sie mir etwas mitteilen, ein großes Geheimnis vielleicht? Ich fühlte: wenn ich es lösen könnte, wäre ich dem Sinn allen Daseins sehr nahe. Aber die Wände unserer Körper standen zwischen uns und ließen nur ein Ahnen letzten Verstehens und tiefster Gemeinsamkeit wie einen fernen Glockenton durch die Mauern unseres Fleisches vibrieren.
    Nach dem Frühstück fuhren wir mit Kretzschmer zum Rieß, dorthin, wo die Felsen immer näher aneinandertraten und schließlich eine Schlucht bildeten, in der nur noch die Eisenbahn, die Straße und der wilde Gießbach Platz hatten. Vor der Schlucht lag ein kleiner Hügel, und zu seinen Füßen hockten ein paar Hütten: eine Zwischenhaltestelle der Eisenbahn und ein Verkaufsstand.
    »Da im Laden können Sie sich Milch, Brötchen und Kleinigkeiten holen«, sagte Kretzschmer, »und da«, er zeigte gegen den Hügel, »liegt das Jagdhaus.« Ich sah eine wunderbare, in der Sonne weiß schimmernde Villa mit einem sehr gepflegten Garten und großem Bassin.
    »Na, das ist doch kein Jagdhaus, Menschenskind!«
    Kretzschmer lachte: »Ist es auch nicht, ist ja auch nicht Ihr Haus. Das da gehört den Werneburgs. Er war früher Generaldirektor der Witzlinger Maschinenfabrik. Bißchen eigenartig. Die Frau ist ein lustiges Huhn, so eine von der Sorte, mit der man Pferde stehlen kann. Sehen Sie zu, daß Sie sich mit ihm auch gut stehen. Übrigens hat er auch zwei Hunde, zwei Foxl, wie Ihrer hier, Männchen und Weibchen.«
    »Ach du lieber Gott!«
    »Die raufen sich schon zusammen«, erklärte Kretzschmer großzügig, »und da ist Ihr Haus!«
    Wir sahen weiter nichts als ein Stück Dach und einen großen Schornstein, die über einer kahlen, verwilderten Hecke emporragten. Als wir davor bremsten, entdeckten wir, daß es ein richtiges Blockhaus war, aus mächtigen schwarzen Hölzern gefügt, mit lustigen weißen Fensterrahmen darin. Das Dach hatte es tief ins Gesicht gezogen. Daneben stand ein Schuppen, der wohl als Garage diente.
    »Großartig, was?« fragte Kretzschmer.
    »Hm. Wird auch ‘n Schuhanzieher mitgeliefert?«
    »Warten Sie gefälligst, bis Sie’s gesehen haben. Das ist nämlich innen größer als außen.«
    »Eine Art Zauberschachtel also?«
    »Genau das!«
    Und genau das war es auch. Unten hatte es drei schöne Zimmer, ein Kachelbad und eine kleine Küche. Oben gab es noch ein ganz großes und ein kleines Zimmer. Durch die breiten Fenster kam viel Licht. Eine moderne Frischluftheizung war eingebaut. Der Preis erschien uns durchaus erträglich. Wir mieteten es auf Anhieb.
    Ein paar hektische Tage folgten. Vertragsabschluß, Fahrten in die Stadt, um die Möbel zu holen, Ankunft der Möbel, Auspacken, Innendekoration. Und dann, eines Morgens, im späten November, saßen wir beim Frühstück oben im großen Zimmer und hatten ein neues Heim. Aus dem Heizungsschacht pustete wohlige Wärme, Frauchen las die Zeitung, ich trank gemächlich meinen Kaffee, die Mama ihre Schokolade, zwischen uns beiden parkten die Hunde. Peterle machte Männchen, Weffi rang die Ärmchen, und der Dicke haute uns abwechselnd die Tatze auf die Schenkel. Frauchen sah hinter der Zeitung vor:
    »Füttere die Hunde nicht, Mami, sie sind alle drei schon zu fett.«
    »Nur noch das eine, weil er so fleht.«
    Nach einer Weile bemerkten wir dann, daß Frauchen dem Dicken hinter der Zeitung eine halbe Buttersemmel in den Rachen schob.
    »Also los!« sagte ich.
    Worauf die Mama und ich Peter und Weffi stopften. Frauchen ließ die Zeitung sinken, und alle drei sahen wir uns an. »Damals«, sagte sie, »unter der Linde, im Garten — das war das letztemal.«
    Ich nickte: »Wir müssen sehr dankbar sein.«
    »Ihr müßt euch dann auch umziehen!« sagte die Mama.
    Ich sah sie an und bemerkte erst

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