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er und verdrehte die Augen, als hätte ich etwas Blödes gesagt. Er spazierte herum und sah sich die Küche an. »Yassis Wohnung ist ein Müllhaufen.«
Kyle hatte mich ziemlich regelmäßig angerufen, bevor ich nach New York gekommen war, daher wusste ich auch von Yassi: Sie war die bisher Letzte in der Reihe von Freaks, die Kyle sich üblicherweise an Land zog. Er erzählte mir immer von seinen seltsamen Freundinnen, ob ich es hören wollte oder nicht. Als ich aus Europa zurückgekehrt war, hatte ich
Kyle von Jan erzählt, aber ich bezweifelte, dass er es noch wusste. Kyle war immer eifersüchtig auf meine amourösen Zwischenspiele. Für ihn war die Suche nach dem Glück ein Wettkampf mit mir, den er unbedingt gewinnen wollte. Der Gedanke daran, dass ich - aus welchem Grund auch immer - glücklicher sein könnte als er, machte ihn rasend vor Neid.
»Wie geht’s Yassi?«, fragte ich.
»Die Zicke«, murmelte er. »Ich bring sie um.«
Kyle hatte mir erzählt, dass sie zurück nach Frankreich gehen wollte. »Ich dachte, sie wäre schon wieder weg.«
»Die verlässt mich nie«, schüttelte er den Kopf. »Ich lass sie nicht.«
Sie tat mir beinahe Leid. An Kyle gefesselt.
»Und was ist mit dir?«, fragte er. »Schon jemanden kennen gelernt?«
Ich würde Kyle bestimmt nichts von Jans Brief erzählen. »Nur meinen Nachbarn«, sagte ich. »Christian.«
»Was ist denn das für einer?«
»Noch ein Euro«, antwortete ich. »Du kennst mich ja.«
Kyle nickte. »Wenn er anfängt, dich zu nerven«, bot er an, »tret ich ihm in den Arsch.«
Typische Kyle-Aktion. »Lass mal«, beruhigte ich ihn, »du wegen mir im Gefängnis, das fehlt mir gerade noch.«
Schließlich waren wir in Carmis Schlafzimmer. Kyle ließ sich aufs Bett fallen, lag breitbeinig da und starrte an die Decke. »Komm zu mir«, sagte er und tätschelte eine winzige Stelle neben sich. Wie gewöhnlich wollte Kyle mich dicht bei sich haben, vielleicht, um sich zu vergewissern, dass ich wirklich lebendig war. Ich verstand diesen Drang. Es war verwirrend, etwas, das zu einer Erinnerung geworden war, wieder mit einem warmen Körper in Verbindung zu bringen. Ich setzte mich aufs Bett. Seine langen Finger glitten unter mein Haar und strichen über den Flaum in meinem Nacken. »Du bist so dünn«, sagte er und drückte leicht zu. »Das hatte ich ganz vergessen.« Er drückte fester zu. Ich stellte mir vor, wie meine Haut unter seinen Fingern weiß wurde.
»Hey.« Ich schlug seine Hand weg.
»Ich könnte dir mühelos das Genick brechen.«
»Wie tröstlich.«
Er versetzte mir spielerisch einen Stoß. »Sei nicht so ernst.« Mit Kyle war es immer, als ob man sich mit seinem kleinen Bruder kabbelte.
Kyle wollte in den Gold Room gehen, wo Yassi vermutlich hinter der Bar stehen würde, was natürlich vor allem freie Drinks bedeutete. Er bettelte und quengelte,, bis ich um der guten alten Zeiten willen zustimmte.
Wir waren im Gold Room angekommen, doch Yassi war nirgendwo zu sehen. Kyle gab dazu keine Erklärung ab und ich fragte nicht. Wir drängten uns bis an die ramponierte Bar und bestellten Bier. Iggy Pop dröhnte in mein Ohr: Now I wanna be your dog. Der Laden war brechend voll. Couchen standen an den Wänden, von denen der Putz abblätterte. Das Licht war schummrig; dichte Qualmwolken hingen unter der Decke. Kyle zündete sich eine Zigarette an und blickte sich um - er suchte Yassi, nahm ich an, obwohl er nichts sagte. Immer wieder streckte er den Arm aus und drückte mich an sich. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie der Teenie von damals, und das brachte mich ein bisschen aus dem Gleichgewicht. Ich schien in kürzester Zeit in verschiedenste Phasen meines Lebens zurückversetzt zu werden - der Job bei Barneys, Kyle, dann auch noch Jan. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken.
»Ich dachte, Yassi würde hier sein.«
»Was?«
»Ich sagte, ich dachte, Yassi würde hier sein.«
Er zuckte die Achseln. »Vielleicht hat sie gekündigt.«
Kyle bestellte einen Kurzen und zwei weitere Bier. Er hatte sich überhaupt nicht verändert. Es hätte deprimierend sein können, wenn es nicht auch so tröstlich gewesen wäre. Kyle drehte sich um, um sich an einen dürren, irgendwie schmuddelig wirkenden Typen zu wenden. Ich konnte nicht hören, über was sie sprachen - die Ramones waren zu laut. Dann rutschte Kyle von seinem Hocker und streckte mit einem Glitzern in den Augen die Arme über den Kopf.
»Das ist Rob«, sagte er und patschte dem rotgesichtigen Typen
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