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Kurzgeschichte von mir mit dem Titel »Der große weiße Affe« - sie war an Kyles Person angelehnt - in einem Literaturmagazin veröffentlicht; es war der bisherige Höhepunkt meiner schriftstellerischen Karriere gewesen. »Ich bin beeindruckt«, sagte ich. Wie üblich bekam er es in den falschen Hals. »Ich bin Bühnenautor«, fauchte er. »Was denken Sie, was das ist?« Wütend faltete er ein Kleidungsstück zusammen. Es fiel mir schwer, mir Ibsen bei so einer Arbeit vorzustellen.
»Es könnte interessant sein, Ihre Meinung zu hören«, beschwichtigte er mich. »Ich kenne nicht viele Leute, die überhaupt lesen können.«
Für alles gab es einen Grund. »Ich fühle mich geehrt.«
Malcolm hielt inne und verzog sein Gesicht. »Reden Sie nicht so einen Blödsinn.« Er zerriss die Sockenreklame. »Und wenn Sie das Stück loben, dann vergessen Sie ja nicht, mein Aussehen zu erwähnen. Nicht jeder kann brillant und schön sein.«
»Nein, tut mir Leid«, verneinte ich. »Ich bin total textfixiert!«
»Sie können es mit nach Hause nehmen und als Gute-Nacht-Ge-schichte lesen.«
»So lange kann ich nicht warten.« Ich überflog die Titelseite: Kitty Kats und Kleptomanen , von Malcolm R. Foxman. Vielleicht verkaufte ich ja mit einem Genie Socken. In hundert Jahren würde er als der Wäsche-Shaw gelten.
»Es ist brillant - wenn ich das selbst so sagen darf.«
Es geht doch nichts über Bescheidenheit. Trotzdem schmeichelte mir, dass ich es lesen sollte. Er schien doch mehr von mir zu halten, als er bisher hatte durchblicken lassen. Malcolm war nicht gerade groß darin, auch nur ansatzweise echte Gefühle zu zeigen. Das war ihm wohl zu gefährlich.
»Sie haben zwei Tage Zeit.«
»Wozu?«
»Na, um es zu lesen.«
Ich hatte nicht gewusst, dass Manuskripte Verfallsdaten hatten. »Ich werde mich sofort an die Arbeit machen.«
Während der Mittagspause erfuhr ich, dass die Charaktere Namen wie Star Spangled, Tofu Jackson und Peter Piper hatten. Der erste Akt trug die Überschrift: »Variationen zum Thema vergessen, wer du bist, und wie du wurdest, was du vergessen hast.« Das Stück basierte offensichtlich auf seinem Leben. Malcolm gab seinen Eltern die Schuld an allem: vom schlechten Geschmack seiner Mutter bis hin zu dem zittrigen Beschneider, den sein Vater engagiert hatte, »... um mich abzuschlachten«, hatte alles seine Auswirkung auf den heranwachsenden Malcolm gehabt. Später erzählte er mir, dass ein Theater-Lehrer von der High School ihn gerettet hatte. Das Theater wurde sein Gott. Alles andere war Müll.
Ich zählte gerade die Tageseinnahmen, um sie anschließend in zwei schäbige Plastiktüten zu stopfen, als ich Christian oben durch den Verkaufsraum schlendern sah. Er hatte sich mit einem grauen Flanell-Anzug getarnt; ein schwarzer Regenmantel hing über seinem Arm, der Gürtel schleifte hinter ihm über den Boden. Stylish schlampig auf diese typisch europäische Art. Ich betete, dass er Weggehen und mir die Peinlichkeit ersparen würde, mich hier aufzuspüren, aber es sollte nicht sein.
»Ich suchte bei den Designern nach dir«, sagte er gut gelaunt.
Ich lächelte tapfer. »Du hast mich ja trotzdem gefunden.«
»Ich bin gründlich«, erklärte er mir. »Außerdem suchte ich auch ein paar Sachen.«
»Ich sehe aber keine Sachen.«
Christian schüttelte den Kopf. »Mir ist heute nicht nach Einkaufen.« Er blickte auf seine Uhr. »Wann hast du Schluss?«
»Ich wollte gerade gehen.«
»Ich habe ein gutes Timing.«
Ich nickte. Vielleicht würde er mich zum Essen einladen. Mir wäre es recht. Ich hatte Rühreier langsam satt. Bevor ich den Vorschlag machen konnte, stürzte sich Malcolm wie ein Geier auf uns. »Hallo«, sagte er mit dröhnender Stimme und streckte Christian seine haarige Tatze entgegen. »Ich bin Malcolm R. Foxman, der Bühnenautor.«
»Christian Olsen«, antwortete Christian, während Malcolm seinen Arm auf und ab hebelte. »Ich bin Designer und Architekt.«
»Christian ist mein Nachbar«, erklärte ich.
»Wie günstig«, sagte Malcolm. »Und wahrscheinlich stammen Sie aus irgendeinem kleinen sozialistischen Land, wo alle Menschen blond und blauäugig und fit wie ein Turnschuh sind.« Er schob seine dicke Brille den Nasenrücken hinauf und musterte Christian kritisch. »Designen Sie Windmühlen?«
Christian schüttelte den Kopf. »Ich komme aus Schweden. Sie denken an Holland.«
»Ah, Geographie«, sagte Malcolm. »Kennen Sie meine Werke?«
Malcolm wollte Christian offenbar
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