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Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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auf den Bauch.
    Rob grinste und zeigte seine gelben Zähne. »Was geht ab?«, fragte er.
    Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln.
    »Er hat ’n bisschen Stoff«, sagte Kyle. »Kommst du mit?«
    Ich brauchte nicht zu fragen, um was für einen Stoff es sich handelte. »Nein«, antwortete ich. »Geh ruhig.«
    Er zögerte einen Moment, während sich in seinem Kopf eine Entscheidungsschlacht abspielte: Ich oder der Kick. Aber Kyle fiel die Wahl nicht schwer. »Ich ruf dich an.«
    »Bis dann«, erwiderte ich. Maiszahn nickte in meine Richtung. Ich tat, als bemerkte ich nichts. Ich konnte nicht noch mehr Freunde gebrauchen. Die beiden drängten sich schließlich durch die Menge. In der Absicht, das Bier auszutrinken, das ich eigentlich gar nicht hatte haben wollen, drehte ich mich wieder zur Bar um. Ich nahm noch zwei Schlucke, dann ging ich.
    Die Straße war wie ausgestorben. In meinen Ohren klingelte es. Es war halb zwei durch. Wie war es denn plötzlich so spät geworden? Ich war irgendwo im East Village. Carmi würde enttäuscht sein, wenn man meine Leiche hier finden würde. Ich hätte genauso gut in Beirut sein können -selbst der Müll auf der Straße sah fremd aus. Ich hatte nicht genug Geld für ein Taxi. Kyle, der Idiot, hatte alles versoffen. Aber es war sowieso kein Taxi in Sicht. Ziellos lief ich bis zum Ende eines Blocks, während ich mich innerlich selbst dafür trat, dass ich auf dem Hinweg nicht auf die Straßen geachtet hatte. Fluchend stampfte ich mit den Füßen auf, um meine Zehen am Einfrieren zu hindern. Wieder blickte ich mich um und kam zu dem Schluss, dass ich mich bewegen musste. Wie ein Idiot hier rumzustehen, brachte mich nicht weiter.
    Weit schwungvoller als üblich, schoss ich um eine Ecke. Zwei Typen lungerten auf einem Graffiti-bedeckten Treppenabsatz rum. Ihre Gesichter konnte ich nicht sehen. Einer sagte etwas, und ich hätte schwören können, dass ich meinen Namen hörte, aber das hakte ich sofort unter Halluzination oder Verfolgungswahn ab. Inzwischen rannte ich fast, während die Stimme hinter mir an meinen Fersen klebte. Dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich wirbelte schwer atmend wie ein Sprinter herum, darauf gefasst, ausgeraubt, vergewaltigt oder umgebracht zu werden. Kyles vom Wind gerötetes Gesicht ragte über mir auf
    »Wo zum Teufel willst du hin?«, fragte er.
    »Nach Hause.« Ich wischte mir erleichtert die Stirn ab.
    »Warum gehst du dann hier lang?«
    »Ich fand den Weg so malerisch!«
    Er musste lachen. Das Arsch, das er war.
    »Ich bringe dich gleich nach Hause«, behauptete er und blickte die Straße entlang. »Ich warte nur noch auf Rob!«
    Das Bier war zu viel gewesen. Mir war kalt. Ich wollte nur noch zurück zu Carmis Wohnung. Wieder wandte ich mich um. Kyle packte meinen Arm.
    »Du gehst in die falsche Richtung.« Ein Grinsen breitete sich über sein mit Sommersprossen übersätes Gesicht aus. »Warte ’ne Sekunde. Ich bin direkt wieder da.« Er rannte, die Hände in den Taschen, zur Ecke. Ich stand auf einem fleckigen Stück Gehweg vor einer heruntergekommenen Bodega und konnte mich nicht bewegen, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich verwandelte mich in Stein und spürte meine steifen Finger kaum noch in meinen Handschuhen. Endlich kam Kyle zurück. Er nestelte an dem Reißverschluss seiner Jacke.
    »Lass uns hier verschwinden«, befahl er und blickte sich um, als erwartete er, jeden Moment überfallen zu werden. Dann rannte er praktisch die Straße hinunter. Diesmal passte ich auf. Und ich brauchte nicht lange, bis ich begriff, dass wir keinesfalls auf dem Weg zu Carmis Wohnung waren. Als Nächstes fand ich mich auf den Stufen einer bröckligen Treppe wieder.
    »Hier sind wir«, sagte Kyle. »Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast.« Er stieß ein meckerndes Lachen aus.
    Ich war zu angepisst, um mir eine passende Erwiderung auszudenken. Und ich war zu müde, um noch weiter herumzulaufen. Ich nannte ihn Arschloch, was ihn nur noch mehr zum Lachen brachte, und ging hinein. Wir stiegen fünf Stockwerke hinauf, Kyle, mit seinen langen dünnen Beinen, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Der grau gekachelte Boden unter meinen Stiefeln war dreckig, das baufällige Geländer schmierig. An einigen Türen klebte verblasste Weihnachtsdeko: eine Papiergirlande, ein Weihnachtsmann, ein Rentier. Kyle wartete vor der offenen Wohnungstür. »Beeil dich«, drängelte er. Ich ging noch langsamer. »Fick dich doch«, gab ich zurück.
    Die Wohnung stank. »Hier

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