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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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abgefärbt hatte, aber ich hatte das dumpfe Gefühl, verfolgt zu werden. Ich nahm meine Einkaufstüten in die eine Hand und stieß die schwere Tür mit der anderen auf. Louis war nirgendwo zu sehen. Ich machte mir - quasi im Auftrag Carmis - im Geiste eine Notiz, den Hausverwalter anzurufen, und vergaß es umgehend wieder. Im Foyer war es glühend heiß. Ich durchquerte die dunkle Halle bis zu den Fahrstühlen und stellte meine Einkaufstüten auf dem Boden ab.
    Als ich meine Jacke aufmachte, hörte ich eine Stimme hinter mir.

2
    »Brauchst du Hilfe?«
    Ich drehte mich um. »Bitte?«
    »Ich sah dich hereinkommen.« Er deutete mit einem Stapel Briefe auf die Eingangstür. »Ich bin Christian«, sagte er und streckte eine kleine, weiße Hand aus. Er war ungefähr eins fünfundsiebzig groß, blond, gut genährt und garantiert kein Amerikaner.
    Der Aufzug öffnete sich. Er nahm meine Tüten und wir betraten den Fahrstuhl. »Du wohnst auf meiner Etage.« Es war eine Feststellung, keine Frage. »Ich hörte dich heute Morgen. Ziemlich früh.« Er lächelte. Ich nickte - dafür sah er gut genug aus. Allerdings behagte mir der Gedanke gar nicht, dass mich jemand belauschte. Plötzlich ging mir ein Licht auf: Das war Carmis Ausländer.
    »Wohnst du bei Mr. Carmi?«, fragte er.
    »Er ist mein Onkel«, sagte ich. »Ich bleib hier, solange er weg ist.«
    »Ah, ja«, meinte er. »Puerto Rico.«
    Woher er das wusste, war mir ein Rätsel. Carmi schien mir nicht der Typ, der seine Pläne an die große Glocke hängte. Wir fuhren schweigend aufwärts; der Fahrstuhl kroch nach oben. Ich versuchte, Christians Akzent einzuordnen.
    »Warst du schon mal dort?«, fragte er.
    »Wie bitte?«
    »Puerto Rico?«
    »Nein«, antwortete ich. Worauf wollte er hinaus? »Du?«
    »Neiiin«, quiekte er. »Puerto Rico ist ziemlich weit weg von Schweden.«
    Sein hohes Kichern klang seltsam mädchenhaft. »Ja«, sagte ich. »Das stimmt.«
    »Du siehst auch nicht aus wie eine Puertoricanerin«, sagte er.
    Ich lachte. Es war die erste von vielen idiotischen Bemerkungen, die ich von Christian hören sollte. »Und wie sieht eine Puertoricanerin aus?«
    »Keine Ahnung«, antwortete er ernsthaft. Er musterte mich nachdenklich. »Nicht wie du jedenfalls. Du siehst aus wie eine Griechin oder auch wie eine Ägypterin.«
    »Sehr einfallsreich«, bemerkte ich. Ich bin schon jeder olivfarbenen Rasse auf diesem Planeten zugeordnet worden. Aber das sagte ich ihm nicht.
    »Bist du jüdischen Glaubens?«, fragte er, während er sein Gewicht von einem schicken Halbschuh auf den anderen verlagerte.
    Ich lachte wieder. »Nein«, sagte ich. »Ich fürchte nicht.« Das erinnerte mich an eine Episode in London. Meine Kusine und ich hatten darauf gewartet, in eine überfüllte Bar eingelassen zu werden. Drei Typen in einem gelben Porsche hielten vor der Tür und packten uns schweigend am Arm. Bevor wir protestieren konnten, zerrten sie uns zu einem Tisch, gaben uns etwas zu trinken und bombardierten uns mit hebräischen Wörtern. Als wir den Mund aufmachten und sie unsere donnernden amerikanischen Stimmen zu hören bekamen, waren sie schockiert, wenn auch nicht besonders enttäuscht, glaube ich. Erstaunlich, für wie viel Verwirrung ein getönter Teint sorgen kann.
    Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Christian nahm meine Tüten und folgte mir zu Carmis Tür. Ich drehte den Schlüssel um und stieß die Tür mit meiner Schuhspitze auf. »Ich komm jetzt allein klar«, drehte ich mich zu ihm um. »Danke.«
    »Ich bin ein Freund deines Onkels«, sagte er und grinste.
    Von einer Freundschaft hatte Carmi nichts erzählt. Alles, was ich wusste, war, dass Christian laut Carmi ziemlich schnell zur Sache kam, und das schien mir glaubhaft. Nun sah ich mir diesen Christian zum ersten Mal genauer an. Er war jung und echt ganz hübsch. Seine Nase war leicht stupsig, seine Wangen glatt und rund wie zwei Kugeln Vanilleeis und er hatte einen blonden Wuschelkopf. »Ich werd ihn von dir grüßen«, log ich. Am liebsten hätte ich ihn Tadzio genannt.
    »Willkommen in diesem Haus«, sagte er.
    »Danke.«
    Ich wollte gerade die Tür schließen, als ich bemerkte, dass Christian zum Sprechen ansetzte. Ich zögerte. Er ergriff die Gelegenheit und sagte schnell: »Hättest du vielleicht Lust, mit mir etwas zu trinken?« Er trat ein paar Schritte zurück. »Nicht heute, natürlich?«
    »Vielleicht«, antwortete ich. Das war meine übliche nichts sagende Antwort für solche Angebote. Ich wusste, dass es

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