'Alle meine Kinder'
die Interessen des Gebers und nicht die Bedürfnisse des Empfängers zugrunde liegen, lassen Entwicklungshilfe wirkungslos werden; die Länder, die sie am dringendsten brauchen, erhalten zu wenig Hilfe, und viel zu oft werden Hilfsmittel für überteuerte Güter und Dienstleistungen aus den Geberländern verschwendet […]. Die jüngsten Erhöhungen [der Auslandshilfe] sagen nicht allzu viel über die Großzügigkeit reicher Länder oder über deren Fehlen.«
Wie es um die Qualität der Hilfe auch bestellt sein mag, in Dollar umgerechnet sahen die Hilfsleistungen der größten Geber zwischen 2002 und 2005 wie folgt aus: USA 75 853 000 Dollar, Japan 40 138 000 Dollar, Frankreich 3 1051 000 Dollar, Großbritannien 29552000 Dollar, Deutschland 29502000 Dollar, Niederlande 16 771 000 Dollar, Italien 12 221 000 Dollar, Kanada 10 552 000 Dollar, Schweden 9 856 000, Australien 5 325 000 Dollar.
In Dollar gerechnet, leisteten die Vereinigten Staaten zwar den höchsten Beitrag, in Prozent vom BSP gerechnet gaben sie jedoch am wenigsten: verschwindend geringe 0,1575 Prozent. 128 Weit hinter den vereinbarten Zielen und oft wiederholten Versprechen zurück blieben auch Japan mit 0,25 Prozent seines BSP, Kanada und Deutschland mit etwa 0,3 Prozent sowie Italien und Australien mit 0,2 bis 0,25 Prozent.
Zum Vergleich die Länder, die im selben Zeitraum (2002 bis 2005) in Prozent ihres Bruttosozialprodukts gerechnet am meisten gaben, im Durchschnitt mehr als 0,8 Prozent: Norwegen 0,91 Prozent (im Jahr 2005: 0,93 Prozent), Dänemark 0,865 Prozent (2005: 0,81 Prozent), Schweden 0,785 Prozent (2005: 0,92 Prozent), Luxemburg 0,82 Prozent (2005: 0,87 Prozent), Niederlande 0,795 Prozent (2005: 0,82 Prozent).
Bis zum 15. April 2006 hatte die US-Regierung, gemäß der Bewilligung durch den Kongress, 275 Milliarden Dollar für den Krieg im Irak ausgegeben. Nach dem National Priorities Project hätten sich mit diesem Betrag 27 Jahre lang sämtliche Aids-Programme weltweit finanzieren lassen.
»Wir befinden uns in einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit, und wir verlieren ihn«, sagte Stephen Lewis. »Es ist bei diesem Tempo einfach unmöglich, Armut, Hunger, die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, Krankheiten und Sterblichkeit in einem wesentlichen Maß zu verringern, und abgesehen von gelegentlichen Ausbrüchen eines rhetorischen Hyperaktionismus ist nichts davon zu merken, dass man […] einen Gang beschleunigt. Nur leider können die Männer und Frauen nicht von schönen Worten allein leben.« 129
Immer mehr ausländische Epidemiologen und Aids-Helfer setzten sich ins Flugzeug und kamen nach Addis Abeba. Im Addis Abeba Hilton und im Sheraton Addis grasten Europäer und Nordamerikaner die Frühstücksbüfetts ab: auf Porzellanplatten waren Wassermelonenscheiben, Minibananen und dicke blaue Trauben angerichtet. Die bitteren Kerne aufgebrochener Granatäpfel waren mit Zucker überzogen. Auf Warmhalteplatten aus Sterlingsilber wurden Rührei, Bratkartoffeln und geröstete Zwiebeln angeboten, außerdem geräucherte Forellenfilets. Draußen vor den blank geputzten Glasfenstern wippten Weißringtauben und Weißstirnamazonen auf den Ästen der Eukalyptusbäume im Wind.
In den Hotellobbys befanden sich die Büros von Fluggesellschaften und Banken, Juweliergeschäfte und Läden für Sportschuhe. In die gepflegten Rasenflächen waren Swimmingpools und Springbrunnen eingelassen. Der Tennislehrer des Hilton, ganz in Weiß, schlug zum Zeitvertreib Bälle gegen eine Übungswand, während er auf seine Schüler wartete. Er war gleichzeitig der Squashlehrer. In einem Patio neben dem Eingang zu dem verglasten Fitnesscenter standen eine Tischtennisplatte und ein Billardtisch.
Nach dem Frühstück zogen Wissenschaftler, Forscher, Vertreter internationaler NGOs, Epidemiologen, Wirtschaftsexperten und Exportmakler in den geschwungenen Auffahrten neben hüfthohen Blumenrabatten ihre Bauchtaschen zurecht und bestiegen die für sie bereitstehenden Geländewagen. Sie blinzelten in die Sonne und machten sich auf den Weg ins Hinterland. Einige von ihnen leisteten hier echte Arbeit und stellten wichtige Kontakte zu Einheimischen her; Vertreter der Weltgesundheitsorganisation, von UNAIDS, Global Fund und CDC, die freiwilligen Helfer von Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, World Wide Orphans oder der William J. Clinton Foundation retteten Leben. Aber zu viele Experten sammelten lediglich Daten, um daraus Diagramme und Tabellen zu
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