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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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gefüllt waren; es gab Anwesen mit grünen Rasenflächen, Swimmingpools und Badmintonplätzen, wo äthiopische Gärtner, Köchinnen und Hausangestellte arbeiteten. Es gab eine durch die Welt jettende Schicht, bestehend aus den Angehörigen von Botschaften, Regierungen, NGOs und anderen Hilfsorganisationen, die sich unter die äthiopische Oberschicht mischte.
    Wenn dieses Geburtstagsfest also etwas merkwürdig angegangen wurde - wenn Haregewoins Waisen im Grunde als Lehrmaterial für reiche Kinder fungieren sollten -, dann geschah das aus mangelnder Erfahrung sowohl seitens der wohlhabenden Spenderin als auch seitens der armen Empfänger. Die Mutter wollte ihrer Tochter und deren Freunden zeigen, dass es auf der Welt Armut gab; und was Haregewoins Waisen anging, die konnten es kaum erwarten, bei der Party mitzumachen.
     
    An einem Samstagmorgen um neun fuhren die Chauffeure Geländewagen und Mercedesse vor und parkten sie draußen vor dem Tor. Haregewoin hatte die Kinder vor Sonnenaufgang geweckt und war seither damit beschäftigt gewesen, sie zu waschen und zu kämmen. Sie verteilte an alle funkelnagelneue Sachen, ganz in Weiß, gekauft von dem Geld, das ihr die Mutter des Geburtstagskindes im Voraus gegeben hatte.
    Dreißig Kinder in weißen Hosen und weißen Hemden standen - die Haare der Mädchen zu straffen Zöpfen geflochten - in zwei Reihen vor dem Haus bereit, die Gäste zu begrüßen. Sie sahen aus wie ein adretter Kinderchor. Hungrig und verschlafen, fiel es ihnen schwer, in Reih und Glied stehen zu bleiben, und Haregewoin scheuchte sie jedes Mal ärgerlich auf ihren Platz zurück. Schier endlose Minuten oder Stunden standen sie angespannt da und blickten mit einer Mischung aus Ungeduld und Angst zum Eingang.
    Zu den Schulkameraden des Geburtstagskindes zählten die Kinder ausländischer Diplomaten, Attachés und Firmenchefs, und Haregewoins Hof füllte sich nach und nach mit forschen, wohlmeinenden Frauen aus Norwegen, Frankreich, Großbritannien und Neuseeland. Sie trugen Kurzhaarfrisuren, Khakihosen, Pullover und weiße Turnschuhe und standen mit Kaffeebechern in den Händen plaudernd in der Einfahrt beisammen. Sie sahen aus wie Fußballmütter an irgendeinem Samstagvormittag irgendwo in Europa oder Amerika. Ihre Kinder, in Markensportkleidung und mit wasserdichten Armbanduhren am Handgelenk, blieben in ihrer Nähe, weit weg von den wie Soldaten aufgestellten Waisen auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes.
    Erneut öffnete sich das Tor, und die Mutter des Geburtstagskindes kam in einem lila Seidenkleid mit einem farblich dazu passenden Tuch um den Kopf hereingeschwebt. Wäre Makeda, die Königin von Saba, höchstpersönlich in ihren seidenen Schuhen über den schmutzigen Hof geschritten, hätte das Haregewoins Kinder auch nicht mehr Ehrfurcht eingeflößt. Ihre Tochter im Schlepptau, trat die elegante Äthiopierin auf die beiden Reihen frisch geschrubbter, verschreckter Waisen zu. Sie begrüßte sie freundlich und forderte ihre Tochter auf, sie ebenfalls zu begrüßen.
    » Salaam «, sagte das Mädchen gleichgültig. Sie blickte über die Schulter zu ihren Schulfreunden und verdrehte die Augen.
    Die Lippen der exotischen Dame waren violett nachgezogen; auf ihren Augenlidern lag ein mauvefarbener Schatten; ein Hauch von Nelken- und Zimtduft umwehte sie. Haregewoins Kinder hätten ihr gern die Hand geschüttelt, befürchteten jedoch, aufdringlich zu sein. Die Tochter riss sich los und rannte zu ihren Freunden. Die elegante Dame blickte verunsichert um sich, und ihr schwedisches Kindermädchen beeilte sich, ihr zu Hilfe zu kommen. Die junge blonde Frau rollte ein Kabel aus, schloss einen Kassettenrekorder an und ließ äthiopische Popmusik ertönen. Haregewoins Kinder fassten das als Zeichen auf, sich unter die anderen zu mischen.
    Ein reiches äthiopisches Mädchen rannte zu seiner Mutter und fragte atemlos: »Dürfen wir mit ihnen spielen?«, und die Mutter nickte.
    Das Kindermädchen klatschte in die Hände und ließ alle Kinder - Privatschüler und Waisen, Äthiopier und Europäer - einander bei den Händen fassen und sich für ein Spiel im Kreis aufstellen. Die Kinder hüpften herum und versuchten, auf dem staubigen Boden Luftballons zum Platzen zu bringen.
    Haregewoin hatte im Freien eine Bühne errichten lassen. Unter einem Dach aus geflochtenen Zweigen war langes, frisch geschnittenes Gras als Teppich ausgelegt. Sie hatte den ältesten Jungen aufgetragen, ihre Polstermöbel aus dem Haus zu holen

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