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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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die mittlerweile achtzehnjährige Beza vor Zeugen, dass sie ihr Kind erhalten habe:
    Ich, Miss Beza..., bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich meine Tochter Tarikwa, die ich am 17. 2. 2005 in das Atetegeb-Worku-Kinderheim gegeben hatte, wieder an mich genommen habe, entsprechend meinem heute eingereichten Antrag, auf Rückgabe meiner Tochter. Name der Empfängerin:
    Miss Beza …
    Haregewoin und vier weitere an diesem Tag anwesende Erwachsene - ihr Buchhalter, ihr Anwalt, ihre Schwägerin Negede Tehaye Alemayhu und Miniya - bezeugten die Übergabe des Babys an seine leibliche Mutter mit ihrer Unterschrift.
    Forward Ethiopia durfte sich bestätigt fühlen, dass sie so hartnäckig darauf bestanden hatten, das Kind im Land zu behalten, und Haregewoin war stolz auf die junge Mutter, dass sie die nötigen Mittel gefunden hatte, ihr Kind von nun an selbst großzuziehen.
    Das hätte das Ende der Geschichte sein können.
     
    Aber damit war das Misstrauen, das Forward Ethiopia und das städtische Sozialamt gegenüber Haregewoin hegten, nicht ausgeräumt.
    Einige Monate, nachdem die kleine Tarikwa in einem Tuch auf dem Rücken ihrer Mutter Haregewoins Heim endgültig verlassen hatte, schrieb das Sozialamt einen Brief an Haregewoin, in dem es Auskunft über den Verbleib des Kindes verlangte.
    Haregewoin schrieb einen förmlichen Brief zurück, dass die Mutter ihr Kind geholt habe.
    »Finden Sie sie«, sagte man ihr. »Beweisen Sie es.«
    Aber sie konnte Beza und Tarikwa nicht finden.
    Das Sozialamt hielt das für einen Beweis eines Vergehens und beschuldigte sie: »Sie haben sie also doch nach Spanien gegeben.«
    »Das habe ich nicht getan.«
    »Wie viel Geld machen Sie auf diese Weise?«, wollten sie von ihr wissen.
    Ist es überhaupt möglich, ein Baby auf die Weise außer Landes zu schmuggeln, wie diese Leute es unterstellen?, fragte sie sich. Wie hätten die Spanier mit einem äthiopischen Kind ohne Adoptionsurkunde und ohne Pass an der Sicherheits- und Passkontrolle vorbeikommen sollen?
    Das schien völlig unmöglich zu sein.
    Haregewoin ging das erste von vielen Malen zum Sozialamt, um ihren Fall vorzutragen. Sie legte das von Beza, ihr selbst und vier unbeteiligten Zeugen unterschriebene Dokument vor, in dem stand, dass Beza ihr Kind Tarikwa von dem Atetegeb-Worku-Kinderheim zurückgefordert hatte.
    »Das ist eine Fälschung«, sagte der Beamte und warf es auf den Schreibtisch.
    Das Sozialamt hatte einer Reihe von Adoptionsagenturen mitgeteilt, dass Haregewoin Teferra des »Kinderhandels« verdächtigt werde und sie daher keine Adoptionen mehr in die Wege leiten könnte, bevor nicht für jedes Kind stapelweise Papiere beigebracht worden seien, daher wurden sämtliche Fälle, in denen eines von Haregewoins Kindern im Waisenhaus einer Adoptionsagentur wartete, auf Eis gelegt, was selbst für solche Fälle galt, in denen schon eine passende Familie gefunden worden war. Sämtliche Adoptionen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Den wartenden Familien erklärte man, dass der »Waisenstatus« von Haregewoins Kindern ungeklärt sei und dass jeder einzelne Fall genau untersucht werden müsste.
     
    Im Niemandsland des Internet hat alles ein langes Leben, ein erstes Leben und ein Nachleben und ein Leben nach dem Nachleben, hier kreisen die Gerüchte endlos vor sich hin. Wenn unablässige Wiederholung ein rechtmäßiger Ersatz für die Überprüfung von Tatsachen und deren korrekte Darstellung ist, dann hatte sich Haregewoin mittlerweile des hundertfachen Verkaufs von Säuglingen und Kinderhandels schuldig gemacht. »Habt ihr schon gehört«, tippten die Abonnenten von Adoptionsvermittlungs-Newslettern und Teilnehmer von Chatrooms in ihre Computertastaturen. »Ich will ja keine Gerüchte verbreiten, aber...«, »O Gott, da stimmt irgendetwas ganz und gar nicht...« Familien, die sämtliche Schritte eines komplizierten und zeitaufwändigen Adoptionsverfahrens hinter sich gebracht hatten und jetzt nur noch darauf warteten, dass man ihnen einen Gerichtstermin und ein Reisedatum nannte, wurde mitgeteilt, dass sie noch länger warten müssten, ohne dass man ihnen auch nur den geringsten Hinweis gab, bis wann. Die Sorge und Enttäuschung, die mit dieser unbestimmten Wartezeit verbunden war, und die Unsicherheit, ob die Adoption überhaupt jemals vollzogen werden konnte, all das wurde durch den Vorwurf des Kinderhandels natürlich nicht besser gemacht.
    Das Internet schenkte den Anschuldigungen ein langes, ein ewiges Leben,

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