'Alle meine Kinder'
(der nun unter dem Felsendom liegt und für Archäologen nicht zugänglich ist). Oder König Salomon hat in der Nähe des Toten Meers eine Höhle ausgesucht, in der die Bundeslade im Fall einer Katastrophe in Sicherheit gebracht werden sollte.
Die Äthiopier jedenfalls glauben zu wissen, wo der Tabot (das amharische Wort für die Bundeslade) ist: In der alten Hauptstadt Aksum, wohin ihn einstmals König Menelik zu Zeiten Salomons gebracht hat. In einem kleinen Granitgebäude auf dem Grund der Kirche der Heiligen Maria von Zion, bewacht von einem Mönch, der als Wächter der Lade bekannt ist.
Davon weiß jeder Äthiopier zu berichten.
Es fragt nur kaum jemand danach.
Die Modernisierung des Landes und die Erweiterung der Verwaltung auf benachbarte Gebiete setzte Ende des 19. Jahrhunderts ein. In den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts besetzten die Italiener Teile der Küste des Roten Meers, und Kaiser Menelik II. ging - mit eigenen Territorialplänen - ein Bündnis mit ihnen ein und unterzeichnete den Vertrag von Uccialli. Er akzeptierte die Ansprüche Italiens auf Eritrea und die nördlichen Gebiete um die Städte Keren, Massawa und Asmera (die zu dem Gebiet gehörten, das Eritrea werden sollte) und erhielt im Tausch dafür Geld und Waffen, unter anderem 30 000 Musketen und 28 Kanonen.
Allerdings gab es zwei Fassungen des Vertrags von Uccialli, von denen die italienische Fassung Äthiopien eine wesentlich stärker untergeordnete Rolle zuschrieb als die amharische. Italien gab bekannt, dass Äthiopien italienisches Protektorat geworden sei, wovon Äthiopien nichts wissen wollte.
1890 wies Menelik II. den italienischen Anspruch offiziell zurück, und 1893 erklärte er den gesamten Vertrag für nichtig.
Italien entschloss sich, militärische Maßnahmen zu ergreifen. Dem italienischen Befehlshaber der eritreischen Kolonie wurde der Befehl erteilt, der äthiopischen Armee eine vernichtende Niederlage zu bereiten; er versprach, im Triumph zurückzukehren und den äthiopischen Kaiser in Fesseln vorzuführen.
Ende Februar des Jahres 1896 brach der äthiopische Kaiser mit 100 000 Fußsoldaten und in Begleitung seiner Frau, Kaiserin Taytu, von Addis Abeba auf. »Seine Armee war nicht allein wegen ihrer schieren Größe bemerkenswert, sondern weil sie darüber hinaus eine deutliche Demonstration der nationalen Einheit war«, schreibt der Historiker Bahru Zewde, Professor an der Universität von Addis Abeba. »Es gab kaum einen Landesteil von Äthiopien, der kein Kontingent geschickt hätte.« 25
Die Italiener hatten die Höhenzüge um Amba Alagi besetzt, die eine natürliche Festung bildeten; die Vorhut der Äthiopier griff an und kämpfte hügelaufwärts gegen einen Feind, der sich verschanzt hatte und besser bewaffnet war. Die Italiener wurden vertrieben, unter den Gefallenen befand sich auch ihr Befehlshaber.
Die zweite Phase des Feldzugs bestand aus der Belagerung der italienischen Festung Mekele, 80 Kilometer weiter südlich, in deren Verlauf den italienischen Truppen die Essens- und Wasservorräte ausgingen, so dass sie sich schließlich ergaben.
In der Nacht des 29. Februar 1896 setzte der italienische General Oreste Baratieri in Erwartung eines leichten Siegs überraschend drei Marschkolonnen in Bewegung. »Die Nachricht eilte den Truppen voraus«, schreibt Zewde, »und wurde von Seiten der Äthiopier, die auf eine Entscheidungsschlacht brannten, mit großer Erleichterung vernommen.« 26
Am 1. März 1896 trafen die beiden Armeen aufeinander.
Zewde schreibt: »Der eigentliche Grund für die katastrophale Niederlage der Italiener lag darin, dass die drei Kolonnen es nicht schafften, ihr Vorgehen zu koordinieren. Weil sie die Karten falsch gelesen hatten, war [General Matteo] Albertones Brigade von den anderen abgeschnitten, so dass sie dem Ansturm der vereinten äthiopischen Truppen ausgesetzt war. In dem Versuch, Albertone zu Hilfe zu kommen, brach [General Vittorio] Dabormida mit fatalen Folgen nach rechts statt nach links aus. Die Folge war, dass die Italiener vernichtend geschlagen wurden, wobei auch die Verluste auf äthiopischer Seite nicht gering waren. Um die Mittagszeit des 1. März war die Schlacht von Adwa praktisch geschlagen. Den kolonialen Bestrebungen Italiens war damit ein Ende gesetzt. Äthiopien hatte seine Unabhängigkeit bewahrt.« 27
Als die Nachricht von der Niederlage Italien erreichte, brachen auf den Straßen Unruhen aus, die zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Crispi
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