Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
Vom Netzwerk:
die noch wie ihre Vorfahren in tukuls , runden Strohhütten, lebten. Ein kleines Kind trieb die paar Enten oder Gänse der Familie mit einer Peitsche aus weichem Gras zu einem Teich. In alten Obstgärten wuchsen harte, kleine Orangen. Mitten auf der versengten Ebene bot ein dorniger Akazienbaum einem vorbeiziehenden Nomaden einen kleinen schattigen Fleck.
    Dikdiks und Zebras, Kuhantilopen und Schraubenantilopen, Gazellen und Paviane trieben sich an den unberührten Plätzen herum. Am Ziway standen Nilpferde im Schilf bis zum Bauch in dem grünen Wasser des Sees und ließen einen gurgelnden Bariton hören. Gelegentlich tauchte eines aus dem See auf, und das Wasser rauschte über sein riesiges, schwarz glänzendes, flaschenkürbisförmiges Gesicht mit den großen, hervorquellenden Augen. Dann gähnte es mit seinem gewaltigen Maul die anderen an, tauchte wieder unter und verschwand. In der Ferne drehte eine rosa-weiße Wolke aus Flamingos ihre Kreise über der glitzernden Wasseroberfläche.
    45 verschiedene Ethnien bevölkerten das Land südlich von Addis Abeba, zu denen auch die berühmten Mursi mit ihren Tellerlippen gehörten, und die Karo mit ihren bemalten Körpern. 23 Einige dieser Völker des Südens wussten, dass sie von den Hochländern kolonisiert worden waren, und beteiligten sich an der schwierigen Aufgabe, einen Nationalstaat zu bilden; andere hatten nie von »Äthiopien« oder Menelik II. gehört, jenem Kaiser, der um die Wende zum 20. Jahrhundert regierte und der sie besiegt und Anspruch auf ihr Land erhoben hatte.
     
    Das Grundgestein von Äthiopien bildet Gondwanaland, der erste Kontinent der Erde, 600 Millionen Jahre alt. Uralte Meere sind darüber hinweggeflossen, gefolgt von Äonen trockener Winde, Sedimente lagerten sich über die Jahrhunderte auf dem harten, alten Kontinent ab, um über Millennien hinweg von Wind und Regen verwittert zu werden. Heute, so schreiben die Historiker Graham Hancock und Richard Pankhurst, »liegt Gondwanaland wieder entblößt da und schimmert in dem nie verlöschenden Feuer alter Mineralien wie Gold und Platin«. 24
    Alle paar Jahre tauchen Archäologen aus ihren in den Felsspalten der trockenen Hügel errichteten Zeltlagern auf und geben den Fund von verblüffend alten Knochen bekannt. In dieser Landschaft befindet sich die Wiege der Menschheit. Das äthiopische Nationalmuseum bewahrt die Knochen des drei Millionen Jahre alten Hominiden Dinkenesh beziehungsweise Lucy auf, die 1974 von dem amerikanischen Anthropologen Donald C. Johanson entdeckt wurde und von der es heißt, sie sei die Mutter der Menschheit.
    Eines der faszinierendsten Geheimnisse der Naturgeschichte - »Wo befinden sich die Quellen des Nil?« - wird im nördlichen Hochland von Äthiopien zum Teil gelüftet. Der Tana ist die Quelle des Blauen Nil, der sich an der Grenze von Uganda, Tansania und Kenia mit dem Weißen Nil aus dem Viktoriasee vereinigt und dann durch den Sudan nach Ägypten fließt. Die Wasserfälle des Blauen Nil heißen auf Amharisch Tisissat, »Wasser, das raucht«. Im Tanasee liegen viele kleine Inseln, auf denen Klöster aus dem 15. Jahrhundert stehen. Dort leben Mönche, die mittelalterliche religiöse Texte studieren, auf Pergament aus Ziegen- und Pferdehaut in der alten Sakralsprache Ge’ez verfasst. Sie sind in das Kebra Nagast , »Zum Ruhm der Könige«, vertieft, ein Ge’ez-Epos aus dem 14. Jahrhundert, das die Reise von Königin Makeda von Aksum nach Jerusalem beschreibt.
    Ein anderes großes Geheimnis der Geschichte ist die Frage, wo sich die Bundeslade befindet. Man glaubt, dass die Bundeslade - oder die Stiftshütte - die erste, zerbrochene, Tafel mit den Zehn Geboten enthält, oder die zweite, intakte, die Moses dem Volk Israel am Berg Sinai übergab oder auch beide. Das Volk Israel nahm sie auf seiner Wanderung durch die Wüste Sinai und bei der Landnahme Kanaans mit. König David ließ sie nach Jerusalem bringen, und König Salomon veranlasste im zehnten Jahrhundert v. Chr. den Bau eines Tempels, wo sie eine dauerhafte Heimstatt fand.
    Im Jahr 586 v. Chr. wurde der Tempel des Salomon von den Babyloniern unter Nebukadnezar zerstört. Was danach mit der Lade geschah, liegt im Dunkeln und beschäftigt seit fünfzehnhundert Jahren Gelehrte und Forscher. Möglicherweise plünderten die Babylonier den Tempel, wobei die Eroberer genaue Listen ihrer Beutestücke anfertigten, auf denen sich die Bundeslade nicht fand. König Josua hat sie vielleicht auf dem Tempelberg vergraben

Weitere Kostenlose Bücher