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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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Herrschers und treusorgenden Vaters verbreitete.
    Daher vertuschte der Palast die Ernteausfälle und die Hungersnot. Hunderttausende kamen von den Dörfern des Hochlands herunter, lebende Skelette. Sie ließen ihre Alten und Kinder, ihre Ehemänner und Ehefrauen, die schon tot waren oder im Sterben lagen, in den Häusern und auf den Straßen zurück. Ryszard Kapuscinski, ein Afrika-Korrespondent aus Polen, stieß in der Kleinstadt Debre Sina auf eine Straße voll Sterbender.
    »Im Staub und Dreck lagen ausgemergelte Körper... die Dürre hatte den Menschen das Wasser geraubt und die Sonne ihre Ernte verbrannt. Sie waren hierher in die Stadt gekommen, getrieben von der verzweifelten Hoffnung, dass man ihnen einen Schluck Wasser und einen Bissen zu essen geben würde. Schwach und zu keinerlei Anstrengung mehr imstande, starben sie an Hunger, dem stillsten und fügsamsten Tod. Ihre Augen waren halb geschlossen, kein Lebensfunke mehr, ohne Ausdruck, und ich weiß nicht, ob sie noch etwas sahen, ob sie ihren Blick überhaupt noch auf etwas richteten …
    Die Regierung hätte natürlich eingreifen können oder es zumindest der Welt gestatten können«, schrieb Kapuscinski, »aber um des eigenen Ansehens willen wollte das Regime nicht eingestehen, dass im Land Hunger herrschte.« 34
    Professoren der Universität Haile Selassie I. brachten den Skandal an die Öffentlichkeit, sie reisten in die betroffenen Provinzen und kehrten mit Fotos von Tausenden hungernder Menschen zurück. Studenten demonstrierten, verlangten von der Regierung Hilfe für die Hungernden und sammelten Spenden; Soldaten erhielten den Befehl, das Feuer auf die demonstrierenden Studenten zu eröffnen, es gab einige Tote, und die Professoren wurden entlassen. Ein britischer Journalist namens Jonathan Dimbleby schmuggelte Filmmaterial über die Hungersnot außer Landes; als der Dokumentarfilm mit dem Titel The Unknown Famine im britischen Fernsehen ausgestrahlt wurde 35 , reagierte die Welt mit Entsetzen und schickte erste Hilfslieferungen.
    Das öffentliche Bekanntwerden der Hungersnot war der Anfang vom Ende der Herrschaft Haile Selassies. Von der Regierung in eine zunehmend schwierige wirtschaftliche Lage gebracht, streikten zuerst die Taxifahrer aus Protest gegen die Benzinsteuern, dann streikten die Lehrer wegen ihres niedrigen Lohns und schließlich die Soldaten - in den Kasernen im ganzen Land - wegen des dürftigen Solds, des miserablen Essens, verschmutzten Wassers und ihrer auch sonst erbärmlichen Lebensbedingungen.
    1974 übernahm eine Gruppe von hundertzwanzig jungen Offizieren das Ruder. Sie strahlten im äthiopischen Fernsehen Jonathan Dimblebys Film über die Hungersnot aus, in den Aufnahmen von einem Festmahl im Palast geschnitten worden waren. Sie vertrieben den Hofstaat und plünderten den Palast; und als sie schließlich den zweiundachtzigjährigen Herrscher holen kamen, ließ sich dieser widerstandslos abführen. Sie forderten ihn auf, auf dem engen Rücksitz eines VW Käfers Platz zu nehmen, und fuhren davon; er sollte nie mehr in den Palast zurückkehren.
    Das Coordinating Committee of the Armed Forces, Police, and Territorial Army oder Derg (Ge’ez für Rat oder Komitee) zog die Zügel straffer an. Einer der Revolutionsführer, Major Mengistu Haile Mariam, ebnete sich mit Morden und Komplotten den Weg bis an die Spitze des Derg , indem er seine Genossen beseitigen ließ. 36 Achtzig der ursprünglich hundertzwanzig an der Revolte beteiligten Offiziere wurden auf Befehl ihres ehemaligen Kameraden exekutiert. Mengistu ordnete darüber hinaus die Exekution von sechzig hochrangigen Beamten Selassies an, des Patriarchs der äthiopisch-orthodoxen Kirche und nach einer gewissen Zeit auch die des betagten Herrschers selbst. Es dauerte nicht lange, und die vielen Parteien, die wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, wurden verboten; die aufkeimende Hoffnung nach dem Sturz der Feudalherrschaft wurde durch die Brutalität des neuen Diktators jäh erstickt.
    Den größten Widerstand gegen Major Mengistu leistete eine rivalisierende marxistische Organisation, die Ethiopian People’s Revolutionary Party (EPRP), die für ein demokratisches System und die Selbstbestimmung der ethnischen Minderheiten eintrat. Sie forderte den Rücktritt der Offiziere des Derg , um gewählten zivilen Führern Platz zu machen, da sie ihre historische Mission erfüllt hätten.
    Mengistu antwortete mit »rotem Terror«, wie er es im Geiste der sowjetischen Tradition

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