'Alle meine Kinder'
zweite Person macht da weiter, wo die erste aufgehört hat. Das Virus hat sich inzwischen zum Teil an den menschlichen Organismus angepasst und kann etwas länger überleben. Auf diese Weise befördert es diese zweite Person ein Stück weiter in Richtung HIV. Und dann macht man das noch einmal und noch einmal […] und jedes Mal, wenn man das Virus weitergibt, wird es pathogener, es passt sich an den neuen Wirt an. Und vier oder fünf oder sechs Stationen später hat man ein Virus, das sich vollständig an den menschlichen Wirt angepasst hat; es beginnt sich zu vermehren, es beginnt, Virenpartikel zu streuen, es kann andere Menschen infizieren.« 55
Dr. Preston Marx, Dr. Ernest Drucker und Dr. Cristian Apetrei von der Abteilung für Tropenmedizin an der Tulane University stellten zuallererst einmal die Kennzeichnung von Aids als Zoonose in Frage. »Gestützt auf Ergebnisse, die die simiane Herkunft von HIV belegen, wurde geschlossen, dass es sich bei Aids um eine Zoonose handelt«, schrieben sie 2004 im Journal of Medical Primatology.
Diese Theorie wurde jedoch niemals bewiesen und muss ernsthaft infrage gestellt werden. Es gibt verschiedene Belege dafür, dass es sich bei HIV-Aids nicht um eine Zoonose handelt. (I) Wenn Aids eine Zoonose wäre, dann müsste sich beweisen lassen, dass Aids auf direktem Weg von einer tierischen Spezies erworben wird, wie etwa Tollwut, eine Krankheit, die unmittelbar von Tieren übertragen wird. (II) Obwohl in Afrika Menschen schon lange und oft mit SIVINFIZIERTEN Affen in Berührung kommen, wissen wir insgesamt nur von elf speziesübergreifenden Übertragungen, und nur vier davon führten zu einer erkennbaren Übertragung von Mensch zu Mensch […] Wenn Aids eine Zoonose wäre, die von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, dann gäbe es eine große Zahl von Verursacher-Subtypen und -Gruppen. (III) Der Mensch ist seit Tausenden von Jahren SIV ausgesetzt, aber erst im 20. Jahrhundert tauchte Aids auf. Wenn Aids eine Zoonose wäre, die sich in der menschlichen Population ausbreitet, dann wäre sie mit dem Sklavenhandel in den Westen gelangt. (IV) Die experimentelle Übertragung von SIVs auf verschiedene Affenspezies wird vom neuen Wirt oftmals wirksam kontrolliert, was zeigt, dass das Virus und nicht die Krankheit übertragen wird. Daraus ziehen wir die Schlussfolgerung, dass die Übertragung von SIV von Spezies zu Spezies selbst nicht die Grundlage für eine Zoonose bildet. 56
»Alle HIVs stammen von simianen Spezies«, erklärten die Autoren, »aber Aids kann nicht als Zoonose gelten, und diese Einteilung reicht nicht aus, Aufschluss über den Ursprung der Aids-Epidemie zu geben.«
Die Simianen Viren, die SIVs, lieferten das Grundmaterial für die menschlichen Viren, aber der Umwandlungsprozess bleibt ein Rätsel. Durch die häufige Wiederverwendung nicht sterilisierter Injektionsnadeln und damit der unbeabsichtigten seriellen Passage von harmlosem, mit SIV verunreinigtem Blut von einem Menschen auf den anderen, vom Jäger auf den Bauern auf den Händler auf das Kind auf die Näherin auf die Hebamme auf den Lehrer, entstand nach Überzeugung dieser Wissenschaftler etwas völlig Neues, eine mörderische Krankheit, eine Pandemie.
»Es ist auffällig, dass die ersten uns bekannten Fälle von Aids zu jener Zeit in Zentralafrika auftraten - Zaire, Belgisch-Kongo«, erklärte Drucker im Jahr 2000. »Wir wissen, dass es das Virus um 1959 im Kongo gab. Und in diesem Gebiet fanden einige der ersten […] Massenkampagnen mit Penicillin zur Ausmerzung der Frambösie statt. […] In den 1960er-Jahren wurden die Kampagnen mit Penicillin und anderen Medikamenten in ganz Afrika und in sämtlichen Entwicklungsländern, auch in Indien, fortgesetzt.
Die Leute verschlossen aus verschiedenen Gründen die Augen davor. Die Weltgesundheitsorganisation, die Hunderte Millionen von Impfstoffeinheiten verteilte, verteilte gleichzeitig oft eine sehr viel geringere Anzahl von Nadeln, verbunden mit der Empfehlung, diese Nadeln zu sterilisieren, und der Ausstattung, um diese Sterilisation durchzuführen. Dabei wusste jeder, der in den Fünfzigern und Sechzigern und Siebzigern in Afrika arbeitete, nur zu gut, dass in den meisten Fällen keine Sterilisation stattfand. Genau genommen kann man diese Einwegspritzen aus Plastik auch gar nicht richtig sterilisieren.« 57
»Wir nehmen an«, schrieben Drucker und Marx, »dass die massive Zunahme nicht steriler Injektionen in Afrika in Zusammenhang mit der
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