'Alle meine Kinder'
zu unterzeichnen (wenn auch innerhalb unterschiedlicher Fristen - den ärmsten Nationen wurde eine Gnadenfrist gewährt) oder mit ernsten wirtschaftlichen Konsequenzen rechnen zu müssen.
»Die westlichen Länder, allen voran die Vereinigten Staaten […] kämpften verbissen an internationaler Front, um diese Patente zu schützen«, schreibt Daryl Lindsey in Salon vom 1. Juni 2001; »wobei sie im Namen von Innovationsförderung und der Rettung von mehr Leben in der Zukunft geistigem Eigentum tatsächlich größeren Wert beimaßen als der Rettung von Leben, die zum damaligen Zeitpunkt bedroht waren.«
Auch wenn der Patentschutz, samt der damit verbundenen hohen Preise, stets als Voraussetzung für die künftige Entwicklung neuer Arzneimittel genannt wird, waren Patienten in armen Ländern doppelt benachteiligt. »Selbst mit einem Patent ist es für Unternehmen nicht profitabel, Medikamente gegen Krankheiten herzustellen, die hauptsächlich die Armen treffen«, schreibt Amy Kapczynski in YaleGlobal vom 16. Dezember 2002. »Nur 13 Prozent der 1393 neuen Arzneimittel, die zwischen 1975 und 1999 zugelassen wurden, waren gegen Tropenkrankheiten […], Krankheiten, die in erster Linie die ärmeren Regionen dieser Welt betreffen. Das legt den Schluss nahe, dass das Patentsystem Entwicklungsländern einen Bärendienst erweist, weil es sie mit Monopolpreisen belastet, ohne dass sie etwas von den Innovationen haben.«
Die Kosten zur Bekämpfung der Aids-Pandemie mit Markenmedikamenten in den 1990er-Jahren wurden mit drei Milliarden Dollar pro Jahr veranschlagt. Die US-Regierung subventionierte die Kosten für einige Amerikaner; die afrikanischen Regierungen waren zu arm, und die Zahl der Aidskranken war zu groß, um etwas Entsprechendes in Erwägung zu ziehen. Das Teure waren dabei nicht die Medikamente, sondern die Patente. Die patentierten Medikamente kosteten pro Patient und Jahr 15 000 Dollar, während die Herstellungskosten vermutlich bei etwa 200 Dollar lagen. Der Preis versetzte den Regierungen der Welt einen Schreck: Eine allgemeine Behandlung kam für Afrikaner nicht in Frage.
Da sich Afrika den Kauf lebenswichtiger Medikamente einfach nicht leisten konnte, folgte eine Debatte auf den höchsten Ebenen globaler Gesundheitspolitik: Vorbeugung versus Behandlung, wobei viele Experten und Wissenschaftler für die Vorbeugung als wesentlich kostengünstigere Alternative plädierten. Mit der entsprechenden Aufklärung über Safer Sex und den Gebrauch von Kondomen ließ sich zukünftiges Leben retten; denen, die sich bereits infiziert hatten, war dagegen nicht mehr zu helfen.
Dies führte zu einer zweigleisigen globalen Gesundheitsstrategie, einerseits auf HIV-positive Patienten in reichen Ländern gerichtet (und reiche Patienten in armen Ländern) und andererseits auf die Mehrheit der Kranken in armen Ländern gerichtet. »Dank einflussreicher Befürworter unter Wissenschaftlern, Experten für öffentliche Gesundheit und den Leitern einiger der bedeutendsten internationalen Gesundheits- und Entwicklungsorganisationen«, schreiben die Autoren von Global AIDS: Myths and Facts , »haben wegen der unzureichenden globalen Bereitstellung von Geldmitteln […] Menschen in Regionen mit hohem Pro-Kopf-Einkommen (neben den Eliten in Entwicklungsländern) Zugriff auf eine wirksame antiretrovirale Behandlung, während man den Gesundheitsbehörden in Ländern mit einem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen rät, sich ausschließlich auf Vorbeugung zu konzentrieren und die mit Behandlungsprogrammen verbundenen Probleme und Kosten zu vermeiden.« 104
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts machte sich das trostlose Gefühl breit, dass es für die 34 Millionen Menschen mit HIV/ Aids zu spät war; weniger als zwei Prozent von ihnen hatten Zugriff auf antiretrovirale Medikamente oder auch nur auf eine Behandlung der Folgeerkrankungen. »Obwohl seit Jahren abzusehen war, wie viele Menschenleben Aids in armen Ländern forderte, hat sich niemand darum gekümmert, dass diese Medikamente dem Durchschnittsafrikaner zur Verfügung stehen«, berichtete die Time vom 12. Februar 2001. »Im Gegenteil, die Hersteller dieser Medikamente - multinationale amerikanische und europäische Pharmakonzerne - und ihre jeweiligen Regierungen, insbesondere Washington, haben sich jede erdenkliche Mühe gegeben, mittels Einschränkung der Exporte in die Dritte Welt und unerbittlicher Durchsetzung von Patentrechten die Preise hochzuhalten. Sie behaupten, dass
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