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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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Arzneimittelunternehmen die Gewinne benötigen, um die Forschung nach neuen Wundermitteln zu finanzieren. Aber ab welchem Punkt wiegt der menschliche Nutzen für verzweifelte, notleidende Länder schwerer als die strikte Verfolgung von Patentrechten und Profit?«
    »Eine Strategie, die ausschließlich auf Prävention setzt und darüber die Behandlung vernachlässigt, raubt […] zehn Millionen Menschen die Hoffnung«, schreiben die Autoren von Global Aids: Myths and Facts . »Im Grunde genommen verhängt sie das Todesurteil über sie. Ein Vertreter einer internationalen Organisation formulierte es in einem anonymen Gespräch mit der Washington Post ganz brutal: ›Wir werden dasitzen und zusehen müssen, wie Millionen von Menschen sterben.‹ 105 Das kann als Realität des öffentlichen Gesundheitswesens betrachtet werden. Es widerspricht jedoch den Grundprinzipien der Gleichheit und der Menschenrechte und nimmt stillschweigend hin, was als System ›globaler medizinischer Apartheid‹ bezeichnet wurde.« 106
    Die Washington Post zitierte einen Vertreter des amerikanischen Gesundheitswesens mit den Worten: »Sie sind bereits tot. Sie laufen nur noch herum.« 107
     
    Die Arzneimittelunternehmen wandten ein, die hohen Preise ihrer patentierten Markenprodukte seien gar nicht das eigentliche Hindernis im Kampf gegen HIV/Aids in Afrika. Die eigentlichen Ursachen der Gesundheitskatastrophe in Afrika seien korrupte Regierungen, eine unzureichende medizinische Infrastruktur (zu wenig Fachpersonal, Labors, Arztpraxen und Krankenhäuser), das Analphabetentum unter der betroffenen Bevölkerung (womit gemeint war, dass die Patienten nicht in der Lage wären, die Anweisungen ihres Arztes zu verstehen) und fehlende infrastrukturelle und technische Einrichtungen wie Straßen, Elektrizität und Kühlmöglichkeiten.
    2001 ließ sich Andrew Natsios, Direktor von USAID und in der Regierung Bush für Auslandshilfe zuständig, öffentlich darüber aus, dass es armen Völkern an Bildung fehle, um mit komplizierten medikamentösen Behandlungen zurechtzukommen. Diese Behauptung impliziert, dass die Bevölkerung reicher Länder durch resistente Virenstämme, die wegen der mangelhaften Befolgung von Verordnungen durch analphabetische Patienten entstehen, einem Risiko ausgesetzt würden. Der Boston Globe berichtete: »Natsios, der zehn Jahre lang bei Hilfsprogrammen in Afrika mitgearbeitet hat, sagte, vielen Afrikaner fehle ›das westliche Zeitgefühl‹. Der Vorsitzende von USAID wurde mit den Worten zitiert: ›Man muss diese (Aids-)Medikamente jeden Tag zu ganz bestimmten Zeiten einnehmen, sonst wirken sie nicht. In Afrika haben viele Leute allerdings noch nie im Leben eine Uhr zu Gesicht bekommen. Und wenn man ihnen sagt, ein Uhr nachmittags, dann wissen sie nicht, wovon die Rede ist. Sie kennen Morgen, sie kennen Mittag, sie kennen Abend, sie kennen die nächtliche Dunkelheit.« 108
    Korrupte Regierungsbeamte wurden häufig als wesentlicher Hinderungsgrund für eine bessere medizinische Versorgung genannt. Aber selbst in den gut organisierten und interessierten demokratischen afrikanischen Staaten, in denen die öffentliche Gesundheit eine gewisse Vorrangstellung genießt, verurteilen die hohen Arzneimittelkosten HIV-positive Patienten zum Tod. In 40 Prozent der afrikanischen Staaten gibt es eine gewählte demokratische Regierung, wenn ihre Bürger keine medizinische Behandlung erhalten, kann das also nicht allein auf gleichgültige Autokraten geschoben werden. Und die afrikanischen Länder sind bei weitem nicht die einzigen, die unter Korruption, Bestechung und Veruntreuung von Geldern an den höchsten Regierungsstellen leiden. Würde man in irgendeinem anderen Teil der Welt dafür plädieren, politische Korruption damit zu bestrafen, dass man den Bürgern eine gute medizinische Versorgung vorenthält? Zwischenzeitlich haben Organisationen wie Global Fund strenge Abrechnungs- und Kontrollverfahren eingeführt, so dass Hilfe sicher und ohne Angst vor Korruption geleistet werden kann. 109 »Beispiele aus Thailand, Uganda und Brasilien zeigen, dass Länder nicht warten müssen, bis ein korruptes System beseitigt ist, bevor sie mit Erfolg umfangreiche Programme gegen HIV/Aids starten können«, schreiben Irwin, Millen und Fallows. »Korruption und Aids können gleichzeitig bekämpft werden.« 110
    Als zweite Erklärung dafür, dass die Dreifachkombinationstherapien arme Länder nicht erreichen, wird häufig eine unzureichende

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