'Alle meine Kinder'
deutlich zu verlängern […]
Arzneimittelunternehmen beschäftigen inzwischen ganze Heere von Anwälten, um aus diesen Gesetzen alles herauszuholen, was nur herauszuholen ist - und das ist ziemlich viel.
Folge davon ist, dass sich die Laufzeit von Patenten für Markenmedikamente von etwa acht Jahren im Jahr 1980 auf ungefähr 14 Jahre im Jahr 2000 verlängert hat. Für einen Verkaufsschlager - worunter man im Allgemeinen ein Arzneimittel versteht, mit dem ein Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr erzielt wird (wie Lipitor oder Celebrex oder Zoloft) - sind diese sechs Jahre zusätzlicher Exklusivität tatsächlich Gold wert. Sie können den Umsatz um Milliarden von Dollar erhöhen.« 100
»Die Auswirkungen von Patenten auf Preise lassen sich an den Preisveränderungen bei einem Arzneimittel erkennen, die eintreten, wenn der Patentschutz erlischt und entsprechende Generika auf den Markt gebracht werden«, schreiben Irwin, Millen und Fallows. »Man braucht nur einmal bei Ibuprofen den Preis der Generika von CVS oder von RiteAid mit dem des Markenmedikaments Advil zu vergleichen. In den Vereinigten Staaten kosten Generika im Allgemeinen 48 Prozent weniger als das gleiche, patentierte Arzneimittel.« 101
BesondersstarkvonHIV/AidsbetroffeneBevölkerungsschichten finden sich im Allgemeinen in Ländern, die zu arm sind, um HAART-Markenmedikamente zu erwerben und zu verteilen. Die Patentschlachten, die wegen der meistverkauften Medikamente gegen Aids entbrannt sind, haben nicht nur den Patenten eine längere Laufzeit geschenkt, sie haben auch den Schatten, den die Monopole auf Staaten und Kontinente werfen, verlängert.
Den großen Arzneimittelherstellern ging es nicht darum, den Armen lebensrettende Medikamente vorzuenthalten; die Millionen Menschen, die an Aids starben (bis 1997 waren 6,4 Millionen Menschen gestorben und 22 Millionen mit HIV infiziert 102 ), waren einfach von keinem besonderen Interesse. Was die Pharmaunternehmen dagegen vermeiden wollten, waren Generika - identisch mit teuren Markenmedikamenten -, die zu Niedrigpreisen verkauft wurden. Denn damit waren zwei größere Probleme verbunden. Das erste bestand darin, dass ihnen ein Preisvergleich Ärger machen konnte: Wenn jemand in Brasilien oder Indien eine exakte Kopie von AZT für 1000 Dollar im Jahr kaufen konnte, würde sich ein Kunde in Schweden, Frankreich oder den Vereinigten Staaten möglicherweise fragen, warum er 1 0 000 oder 15 000 Dollar für das Markenprodukt zahlen musste.
Das zweite Problem bestand darin, dass die billigen Kopien mit Sicherheit den Weg auf die reichen Märkte in der nördlichen Hemisphäre finden würden, wenn die Generika-Hersteller mit der Massenproduktion beginnen würden.
Das neue Ziel hieß also weltweiter Patentschutz.
In den meisten armen Ländern gab es überhaupt keine Pharmaindustrie oder bestenfalls schlecht ausgestattete Fabriken, die nicht in der Lage waren, Generika von solch komplexen Arzneimitteln wie antiretroviralen Medikamenten herzustellen. Ihnen blieb daher keine andere Wahl, als lebenswichtige Medikamente zu importieren.
»Einfach gesagt«, erklärte die Direktorin der Weltgesundheitsorganisation, Gro Harlem Brundtland, »befinden sich die Medikamente im Norden und die Krankheit im Süden.«
Die forschungsorientierten Arzneimittelhersteller (die von einflussreichen Handelsverbänden wie Pharmaceutical Research and Manufacturers of America [PhRMA] und des in Genf ansässigen Internationalen Verbands der Pharmazeutikhersteller [IFPMA] vertreten werden) betrieben einen hartnäckigen und schließlich erfolgreichen Lobbyismus in den Machtzentren dieser Welt, um sicherzustellen, dass fremde Regierungen - selbst diejenigen in Asien, Südamerika und Afrika, die mit Aids-Epidemien zu kämpfen hatten - ihre Patente respektieren würden.
Das führte 1995 zur Einführung strenger Bestimmungen hinsichtlich geistigen Eigentums durch die Welthandelsorganisation (WTO). Gesetze zum Schutze geistigen Eigentums dienen den wirtschaftlichen Interessen von Erfindern und Urhebern. Die Bestimmungen der WTO werden als TRIPS bezeichnet, die Abkürzung für Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum). 103 TRIPS verlangte von den Ländern, pharmazeutische Patente über einen Zeitraum von mindestens zwanzig Jahren zu respektieren.
Alle 147 (inzwischen 148) Mitgliedsstaaten der WTO wurden vor die Wahl gestellt, entweder TRIPS
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