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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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    Am 16. Juni 1999 gab Al Gore seine Kandidatur um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bekannt, und die öffentliche Empörung über die großen Pharmaunternehmen bekam auf einmal eine persönliche Note. In Carthage in Tennessee wurde während der Rede, mit der der Vizepräsident seine Kandidatur verkündete, Protest dagegen laut, dass er Druck auf afrikanische Länder ausübte, die versuchten, lebenswichtige Medikamente herzustellen. Auf seiner Wahlkampftour durch das Land wurde Gore allerorten zur Rede gestellt; die Zuhörer hielten Schilder in die Höhe, auf denen AIDS-MEDIKAMENTE FÜR AFRIKA und GORES GIER KOSTET LEBEN zu lesen war; und die Medien brachten Berichte darüber, dass er daran beteiligt war, wenn sterbenden Südafrikanern lebensrettende Medikamente vorenthalten wurden.
    John Judis zeigte in American Prospect (1. Juli 1999) die engen Verbindungen Gores zur Pharmaindustrie auf und wies darauf hin, dass PhRMA seinen Wahlkampf mit beträchtlichen Mitteln unterstützte und ehemalige Lobbyisten aus der Arzneimittelbranche zu seinen engsten Beratern zählten. Unterdessen zeigte CNN den Vizepräsidenten, wie er seinen Kritikern mit Äußerungen begegnete wie: »Ich glaube an den ersten Zusatzartikel [das Recht auf freie Meinungsäußerung], sie haben einen Applaus verdient!«, bis die Proteste im Beifall der Zuhörer untergingen und die Demonstranten aus dem Saal geführt wurden.
    Am 25. Juni 1999 schrieb ein vorsichtiger gewordener Al Gore einen Brief an James Clayburn, den Vorsitzenden des Ausschusses für die Angelegenheiten Schwarzer, in dem es hieß: »Sie sollen zunächst wissen, dass ich die Bemühungen Südafrikas um eine Verbesserung der medizinischen Versorgung seiner Bevölkerung unterstütze, einschließlich der Bemühungen um Zwangslizenzen und Parallelimporte von Arzneimitteln - solange es auf eine Weise geschieht, die im Einklang mit internationalen Vereinbarungen steht.« 119
    »Vordergründig war gegen die Erklärung [des Vizepräsidenten] nichts einzuwenden«, erklärte James Love vor dem Kongress. »Das Problem war die von den Handelsbeauftragten der US-Regierung seit langem bestehende Praxis, an den Haaren herbeigezogene, fadenscheinige Argumente vorzubringen, warum das südafrikanische Gesetz gegen TRIPS verstoßen könnte.« 120
    Am 9. September 1999 gaben führende Vertreter der Pharmaindustrie bekannt, sie hätten die Klage gegen Südafrika ausgesetzt. Charlene Barshefsky erklärte, dass die Angelegenheit zwischen den Vereinigten Staaten und Südafrika vom Tisch sei. Präsident Clinton, dessen Aufmerksamkeit von den Protesten und insbesondere von den 25 000 Demonstranten, die sich anlässlich der Welthandelskonferenz in Seattle im November 1999 versammelten, in Anspruch genommen wurde, schloss sich dem neuen Kurs an und stellte sich den afrikanischen Regierungen bei ihren Bemühungen, lebenswichtige Arzneimittel zu beschaffen, nicht länger in den Weg. Seine Handelsbeauftragte Barshefsky bestätigte, »die Aktivitäten von ACT UP und die Aids-Aktivisten [haben] unseren Blick dafür geschärft, dass wir es mit einer ernsten Krise zu tun haben«. 121 Gegen den heftigen Widerstand der Republikaner im Kongress erließ Clinton eine Verfügung, der zufolge die Vereinigten Staaten afrikanische Regierungen nicht mehr behindern würden, wenn sie ihren Bürgern billigere Medikamente gegen Aids zur Verfügung stellen wollten.
    Die großen Pharmaunternehmen erhielten von der Presse eine kräftige Abreibung wegen ihrer Klage gegen Südafrika, die hinsichtlich der PR einer der schlimmsten Fehltritte aller Zeiten gewesen sein dürfte. Zwei Jahre später, noch immer betroffen von diesem Beweis für schlechtes Urteilsvermögen, hielt ein Vertreter der Branche eine Rede auf einer Konferenz über Gesundheit und Menschenrechte. Er begann sie mit einem Scherz: »Ich werde oft gefragt, wie wir so dumm sein konnten, Nelson Mandela zu verklagen.
    Ich erkläre den Leuten dann immer, dass uns nichts anderes übrig blieb. Mutter Teresa war schon tot.«
     
    Im Jahr 2000 warf ein indischer Arzneimittelhersteller sämtliche Spielregeln über den Haufen.
    In der Überzeugung, dass es tatsächlich die hohen Preise für Medikamente waren, die einer allgemeinen Behandlung im Weg standen, und dass Aufklärung, Beratung, Vorbeugung, Aufhebung der Stigmatisierung und die Schaffung einer medizinischen Infrastruktur bei Bestehen eines allgemeinen Zugangs zu den Medikamenten vorangetrieben würden, gab Yusuf

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