Alle meine Schuhe
sehr nett. Und ich freue mich darauf, es wieder zu tun – das nächste Mal dann ohne Rettungswesten.«
Die Sonne ging bereits hinter den Masten im Hafen unter, als sie später neben Amys Mietwagen standen, um sich zu verabschieden, bevor sie die Rückfahrt nach New York antrat.
»Du wirst Ärger bekommen«, sagte Amy. »Ed wollte, dass du vor Sonnenuntergang zurück bist.«
Jack zuckte mit den Schultern. »Ed weiß, dass ich die Schule nur aus gutem Grund schwänze, mach dir also keine Sorgen. Ich arbeite dort sehr viel mehr, als ich eigentlich muss. Wenn ich etwas mache, dann bin ich immer so darin vertieft, dass ich die Zeit vergesse. Meistens bin ich der Letzte, der geht.«
»Kann ich mir vorstellen. Aber du kennst das alte Sprichwort: Arbeit allein …«
»… macht auch nicht glücklich? Weißt du, Amy, das habe ich jetzt schon nicht mehr gehört, bestimmt seit … ein paar Tagen!«
»Entschuldige.« Sie schmunzelte.
»Jedenfalls hat mich der heutige Tag glücklich gemacht, Amy. Versprichst du, bald wiederzukommen?«
»Definitiv!«
Sie küssten sich noch einmal. Sie wurden schon richtig gut darin. Widerstrebend suchte Amy nach ihren Autoschlüsseln. Ein Teil von ihr wünschte so sehr, ihren letzten Tag vor dem Rückflug nach London hier zu verbringen – mit Jack in Patchogue. Es war schön mit ihm, er war hinreißend, lustig, sexy und ein verdammt guter Küsser...
Aber ihre Freundinnen kamen extra nach New York, um sie abzuholen, und sie wollte sie wirklich gern sehen.
Sie würden in Kontakt bleiben – es lag an ihr, wann sie wieder herkam. Der Gedanke, wahrscheinlich erst in ein paar Monaten wieder in die Staaten fliegen zu können, war jedoch ziemlich deprimierend.
Das echte Leben konnte bisweilen ätzend sein. Sie wurde bei aclickaway.com an ihrem Schreibtisch erwartet und musste sich in London ein ganz neues Leben aufbauen.
Mit ernster Miene tauschten sie Telefonnummern und E-Mail-Adressen aus.
»Ach, Amy?«
»Ja?« Amy tippte die Ziffern in ihr Handy ein und schaute hoch.
»Sagt dir Bristol Pilot Cutter etwas?«
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Nicht das Geringste. Und ich lasse mich nicht durch wildes Herumraten bloßstellen – so wie letztens mit dem America’s Cup. «
»Guter Einwand. Es ist ein Holzboot – schnell, leicht und schön. Boote dieser Art wurden in England hergestellt, um die Lotsen zu den großen Schiffen hinauszubringen, die sie dann in den Hafen steuerten.«
»Tatsächlich?« Amy runzelte die Stirn. Ihr stand jetzt nicht der Sinn nach einer weiteren Unterrichtsstunde über Boote – nicht jetzt.
Hallo? Jack? Zeit für einen liebevollen Abschied? Hallo?
»Heutzutage herrscht dabei freier Wettbewerb. Wer von den Lotsen als Erster beim Schiff ist, bekommt den Job. Deshalb spielt Geschwindigkeit für diese kleinen Boote eine große Rolle. Jede Tour ist wie ein olympischer Sprint.«
Er war wieder ganz abgetaucht in das Reich der Boote, sein Blick in die Ferne gerichtet. »Also wurden dieser lange Kiel und die Gaff-Cutter-Takelage entwickelt. Und weißt du was?«
»Ich bin gespannt.« Und komm endlich zum Thema!
»Manche Leute behaupten, es hätte nie ein besseres Segelboot gegeben, weder vorher noch danach.«
»Unglaublich.« Sie strich sich ungeduldig mit den Fingern durchs Haar.
Und was genau hat das jetzt mit meinem Abschiedskuss zu tun?
Jack nickte mit ernster Miene. »Ja, ich weiß. Und Ende nächsten Monats gibt es einen einwöchigen Kurs über die Bautechnik.«
»Wie … schön !« Ein Hauch Sarkasmus hatte sich am Ende doch noch in ihre Stimme geschmuggelt.
»Und der findet in England statt.«
In England? Etwa das England, wohin ich zurückfliege?
»Ich glaub’s nicht!« Amy sah ihn mit großen Augen an. »Wirst du hinfahren?«
»Wäre doch eine Schande, sich die einmalige Gelegenheit entgehen zu lassen, etwas Besonderes zu lernen, findest du nicht?«
Amy fiel ihm um den Hals und drückte ihn ganz fest. »Und wir können dann ausgehen!«
Juhu! Alarmstufe Rot – dafür müssen neue Schuhe her!
Epilog
E s war an einem Vormittag im August. Amy Marsh, die vor knapp einem Monat ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte, ging ihre Checkliste durch, immer mit Blick auf die Uhr, da sie ihre Verabredung nicht warten lassen wollte.
Okay – Portemonnaie, Handy, Fahrkarte – gecheckt.
U-Bahnplan – gecheckt.
Draußen blies ein für die Jahreszeit ungewöhnlich frischer Wind, und die ersten Regentropfen prasselten gegen die
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