Alle meine Schuhe
erledigen! Aufgeregt öffnete Amy Justins Word-Dateien und ignorierte die panischen Stimmen draußen.
Und da war sie! Die präzise betitelte Liste: »Schuh-Adressaufkleber.«
Rasch druckte Amy die Datei aus, schaltete den Computer aus und wollte gerade die Treppe hinunterlaufen, als ihr der Brief einfiel.
In der letzten Nacht hatte sie kein Auge zugetan. Schließlich hatte sie ihren Schreibblock herausgeholt und Justin in Form eines Briefes ihr Herz ausgeschüttet: alles über Sergei, die Gründe, warum sie Justin nichts von den Treffen erzählt hatte. Sie war nicht einmal sicher gewesen, ob sie Justin diesen Brief jemals geben würde, so tränenbefleckt und emotional wie er geworden war. Aber aufgedreht wie sie jetzt war, dachte sie nur, was soll’s , und legte den Brief neben den Computer, damit Justin ihn las – oder auch nicht -, wenn er irgendwann nach Hause kam.
Amy eilte die Treppe hinunter zum Sammelpunkt und traf kurz vor Phyllis dort ein, die Mrs Tompkiss erleichtert an sich presste. Die Nachbarn liefen umher und plauderten miteinander. Der Fehlalarm der letzten Wochen hatte dazu geführt, dass die Nachbarn sich auf einmal mit Namen kannten und nicht nur als Apartmentnummer.
»Ich habe überall nach ihr gesucht. Sie hatte sich im Wäschekorb versteckt.« Phyllis strahlte Amy an, erst dann erinnerte sie sich offenbar, dass sie einander nicht mehr so nah stehen durften und wandte sich verlegen ab, um sich mit jemand anderem zu unterhalten.
Amy war zutiefst getroffen.
Einen Augenblick später tauchte Jesminder neben ihr auf.
»Meine Güte, um diese Alarmanlage sollte sich wirklich mal jemand kümmern. Jeder kann ganz leicht ins Haus gelangen und einen Feueralarm auslösen, indem er zum Beispiel ein Feuerzeug unter den Rauchmelder hält.« Jesminder zwinkerte Amy zu.
»Danke, Jes. Ich schulde dir was. Gab es irgendwelche Probleme?«, zischte Amy ihr aus dem Mundwinkel zu.
»Überhaupt nicht. Es war erschreckend einfach – ich könnte mich an ein Leben als Kriminelle gewöhnen«, erwiderte Jes begeistert. »Hat es geklappt?«
Amy runzelte die Stirn. »Gewissermaßen. Ich glaube, ich habe alle Adressen, aber leider keine Telefonnummern.«
»Es hat sich also gelohnt?«
»Auf jeden Fall!«
Einen Moment lang kosteten sie noch die Aufregung, etwas Verbotenes getan zu haben, aus. Dann seufzte Amy und wandte sich ihrer Freundin zu. »Ich schätze, wir sollten besser anfangen, unsere Autos mit meinen verbliebenen weltlichen Gütern zu beladen. Und danke nochmal, dass ich in deinem Gästezimmer schlafen kann.«
Jesminder nickte und drückte Amy, die dann traurig zu Phyllis ging und sie um Erlaubnis bat, noch einmal kurz ins Apartment zu dürfen, um ihre Sachen zu holen.
Zwei Stunden später, nachdem die beiden Amys ganzes Zeug aus den Autos und in Jesminders winzige Souterrain-Wohnung in Südlondon geschleppt hatten, war die Hochstimmung über ihre erfolgreiche Mission verflogen. Stattdessen spürte Amy, wie sich betäubende Leere in ihr ausbreitete. Es ist wirklich passiert – Justin hatte sie rausgeworfen. Und Phyllis hatte ihm dabei geholfen. Sicher, Phyllis’ Bedauern wegen dieser Situation war offensichtlich, aber es war auch klar, wem ihre Loyalität gehörte.
»Arme Phyllis«, seufzte Amy, als sie sich schließlich vor Jesminders Gasofen auf dem Teppich niederließ. Nachdem es tagsüber recht heiß gewesen war, wehte jetzt am Abend ein kühles Lüftchen und trotz der anstrengenden Kistenschlepperei fröstelten beide Frauen. »Das muss schrecklich für sie sein.«
»Hast du eben arme Phyllis gesagt?« Jesminder steckte den Kopf durch die offene Küchentür.
Amy nickte mit Blick auf das Feuer. »Ja, es muss schlimm für sie sein, zu denken, die Freundin ihres Sohnes wäre ein billiges Flittchen.«
»Sie weiß, dass du das nicht bist!«, erklärte Jesminder. »Das wäre ja zu lächerlich!«
»Meinst du?«, murmelte Amy. »Ist doch klar, dass sie ihrem Sohn glaubt. Zumindest denkt er , dass ich ein billiges Flittchen bin.«
»Schluss damit!« Jesminder hielt sich demonstrativ die Ohren zu. »Hör auf, diesen Ausdruck zu benutzen! Außerdem bist du das nicht! In Wahrheit verdienst du eine Medaille dafür, wie sehr du alle anderen in dieser Situation bedauerst – nur nicht dich selbst. Ein Glas Wein? Bier?«
Amy starrte ins Feuer. Sie war hundemüde. »Könnte ich bitte einfach nur eine große Tasse Tee haben?«
»Natürlich, Süße. Und dann müssen wir beide anfangen, einen Plan
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