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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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versucht, durch die Fenster zu spähen, um Ihre Majestät beim Fernsehen zu ertappen. Sie hatte sogar wissen wollen, ob die Queen Pantoffeln trug. Und als sie an diesem Abend nach Hause kam, malte sie ein Bild, das die königlichen Pantoffeln zeigte. An Quasten und Juwelen mangelte es jedenfalls nicht.
    Und jetzt, einen Tag nach ihrem Erfolg in Delsey’s Gym, war Amy wieder in Berkshire, dieses Mal jedoch allein. Von Debbie hatte sie sich morgens in Newcastle verabschiedet und ihr für den polnischen Ball am Abend Glück gewünscht. Danach war sie schon früh zu der zweiten Adresse auf ihrer Schuh-Liste aufgebrochen.
    Während ihr 2CV durch Windsor tuckerte, versuchte Amy, nicht zu dem am Horizont aufragenden Schloss zu blicken. Die wehmütigen Erinnerungen machten es ihr ohnehin schon schwer genug, sich auf die ihr unbekannte Straße zu konzentrieren. Sie hatten früher nur selten Familienausflüge unternommen – jedenfalls konnte sie sich nicht an viele erinnern. Aber dieser Tag in Windsor Castle war unvergesslich.
    Sie erinnerte sich noch an das Erdbeereis, das ihr Vater ihr gekauft hatte. Es tropfte, und sie hatte sich ihren dunkelblauen Dufflecoat und die pelzbesetzten silbernen Kunststoffstiefel bekleckert – ihre Spice Girls-Stiefel. Der Gedanke daran ließ sie zum ersten Mal an diesem Tag lächeln. Sie hatte diese Stiefel getragen, bis sie auseinanderfielen. Und als ihre Mutter sie schließlich ausrangierte, hatte Amy das Herz geblutet.
    Nur wenige Wochen nach diesem Ausflug starb ihr Vater: Er kam bei einem Autounfall auf vereister Straße ums Leben, als er gerade auf dem Heimweg war.
    Amy schüttelte heftig den Kopf und versuchte, die traurigen Gedanken zu verscheuchen.
    Thatcham, Winterbourne, Chieveley, Peasemore. Amy passierte Straßenschilder mit hübsch klingenden Namen von Dörfern und Städten. Sie wünschte, Debbie oder Jesminder wären bei ihr. Oder Justin. Wo zum Teufel mochte er stecken?
    Endlich, nachdem sie zweimal kurz angehalten hatte, um auf die Straßenkarte zu sehen, erreichte sie das Städtchen auf ihrer Liste – Brightwalton. Amy war ganz aufgeregt, als sie an der Kirche vorbeisteuerte, den Kanal überquerte und schließlich vor einem hübschen Reihenhaus aus rotem Backstein anhielt. Hausnummer drei. Sie war am Ziel.
    Um die nächste Mission noch etwas hinauszuzögern, holte sie ihr Handy aus der Tasche und drückte die Kurzwahltaste mit Justins Nummer.
    Sie fuhr zusammen, als eine Computerstimme sagte: »Die Nummer, die Sie gewählt haben, ist nicht vergeben. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe und versuchen Sie es erneut.« Er hatte seine Handynummer geändert. Er. Hatte. Seine. Handynummer. Geändert.
    Wie betäubt legte Amy auf und starrte ins Leere, als das Handy ihr aus der Hand fiel. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so allein gefühlt.
    Müde kontrollierte sie ihr Aussehen im Taschenspiegel. Dunkle Schatten lagen um ihre Augen und direkt über der Nase gruben sich zwei tiefe Furchen in ihre Stirn. Die waren vor einer Woche noch nicht da gewesen.
    Ich sehe beschissen aus.
    Seufzend schloss sie den Wagen ab und ging den gepflasterten Weg zu der grünen Haustür hinauf. Als Amy auf die Klingel drückte, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
    »Ich geh schon!«, erklang drinnen eine zarte Stimme.
    »Oh!«, rief Amy aus, als ihr ein kleines, etwa achtjähriges Mädchen öffnete. Die Kleine trug ein zartrosa Trikot mit Tutu sowie Ballettschuhe und begrüßte sie mit: »Hallo!«
    Das glaube ich nicht! Hier müssen Mums Ballettschuhe sein! Sie müssen einfach!
    »Du siehst aber hübsch aus!«, sagte Amy aufgeregt. »Ist deine Mummy vielleicht zu Hause?«
    »Wer ist da, Miranda?«, fragte eine Frauenstimme.
    Ohne die Antwort abzuwarten, tauchte die Mutter des Mädchens auf. Barfuß, ein bisschen zerzaust, aber auf ihre Art hübsch und – hochschwanger. »Hallo, Sie sind aber früh!«
    Ihre Stimme klang freundlich, aber Amy merkte sofort, wie erschöpft die Frau war. Das war an jeder ihrer Bewegungen abzulesen, an jedem Wort, mit dem sie sich bemühte, höflich zu sein. Und die dunklen Ränder unter den Augen waren noch stärker ausgeprägt als ihre eigenen. Amy öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
    »Sophie?« Eine Männerstimme erklang aus dem hinteren Teil des Hauses. »Könnte ich den Wasserkocher jetzt haben, bitte? Das da draußen ist ein Notfall …«
    Die Frau verdrehte die Augen. »Ich komme.« Sie sah Amy entschuldigend an. »Kommen Sie bitte herein. Mein Mann steckt

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