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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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jetzt vielleicht mit ihrer Rede beginnen sollte, da der alte John O’Donnell seinen Zug erreichen musste.
    »Meine lieben Freunde, alte und neue …«, begann Breda McCarthy zu sprechen, während Amy fieberhaft überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Erst der Reisestress, dann der Schreck, in die Beerdigung der Person hineinzuplatzen, wegen der sie hergekommen war, und dann diese Demütigung, sich ein Riesenpaket Flunkereien auszudenken, in dem spektakulären und eindeutig fehlgeschlagenen Bemühen, die Aufmerksamkeit von ihrem Außenseiterstatus abzulenken. Sie war so angespannt, dass sie beinahe den Grund ihres Besuchs vergessen hätte, bis sie mit halbem Ohr Breda McCarthy ein Thema anschneiden hörte, das ihr sehr am Herzen lag.
    »… Schuhe ihrer Träume …«
    Wie bitte? Amys Kopf ging ruckartig hoch, und sie war hochkonzentriert.
    »Wie ihr alle wisst, hatte meine Mutter ein Faible für Schuhe. Sie pflegte immer zu sagen: Sollte sie je in der Lotterie gewinnen, würde sie für sich selbst nur drei Dinge kaufen: ein Ticket für die erste Reihe, um Michael Flatley in Riverdance zu sehen, lebenslang mit Florentiner Plätzchen von Marks & Spencer beliefert zu werden und ein Paar Schuhe von Dior.«
    Gedämpftes Lachen war zu hören.
    »Sie glaubte wohl, dass sich Mr Christian Dior persönlich in seine Werkstatt setzen und diese Schuhe von Hand fertigen würde.«
    Amy lächelte. Diese Vorstellung hatte sie auch, manchmal. Alles fügte sich zusammen.
    »Und deshalb«, fuhr Breda fort, »war ich glücklich und stolz, einen von Mummys Wünschen wahr werden zu lassen. Nein, Michael Flatley ist heute Abend nicht hier, danke, Onkel Robert. Aber wie ihr sicher gesehen habt, ist es mir gelungen, für Mum ein paar Christian Dior-Schuhe zu besorgen.« Sie wies mit dem Kopf in Richtung des offenen Sarges.
    Das hatte Amy übersehen. Während Bredas Rede hatte sich die Menge näher an den Sarg herangeschoben und auch Amy stand nur noch zwei Schritte davon entfernt.
    Warmherziger Applaus setzte ein, nachdem Breda allen noch einmal gedankt und ihre Rede beendet hatte. Es wurde ein bisschen unruhig, als alle nach vorn gingen, um Breda zu umarmen. Auch Amy bewegte sich nach vorn, bis sie direkt neben dem offenen Sarg stand. Sie holte tief Luft und schaute hinein.
    Die tote Frau sah unnatürlich aus, wie aus Wachs. Dieser an eine Skulptur erinnernde Körper in dem Sarg gab keinen Hinweis darauf, dass er einst lebendig gewesen war. Amy war augenblicklich erleichtert, dass sie nicht allzu oft so schmerzhaft an die Beerdigung ihrer Mutter erinnert wurde. Sich von ihrer toten Mutter im Sarg zu verabschieden, war das Schwerste gewesen, das sie je hatte tun müssen. Aber Amy hatte die arme Mrs Nuala McCarthy nie gesund und munter erlebt. Dieser Mensch, der sie einst hier gewesen war – wie sie auch gewesen sein mochte -, existierte nicht mehr und sie gar nicht gekannt zu haben, machte es für Amy erträglich. Unauffällig sah sie sich mit halb gesenktem Kopf um. Niemand achtete auf sie. Alle anderen standen Schlange, um der Tochter der Toten ihr Beileid auszusprechen. Und Breda McCarthys gefasste Haltung war nun doch gewichen. Voller Mitgefühl sah Amy, wie sie ein spitzengesäumtes Taschentuch aus ihrer Tasche nahm.
    Komm schon, Amy, bleib bei der Sache!
    Sie ging einen kleinen Schritt zum Fußende des Sargs, wappnete sich innerlich und warf einen Blick auf die Schuhe der toten Frau.
     
     
    Da waren sie! Die schwarzen Christian Dior-Schuhe mit dem winzigen Strassstein an der Schnalle des schmalen Knöchelriemchens. Die Schuhe, die sie bei ihrem ersten richtigen Date mit Justin getragen hatte. Als sie diese Keller-Bar in Mayfar aufsuchten, in der sie Frucht-Cocktails servierten, die so köstlich waren, dass Amy in nicht einmal einer Stunde vier hintereinander getrunken hatte. Sie konnte sich bis heute nicht erklären, wie sie es geschafft hatte, nicht umzukippen, sondern sich sogar intelligent mit Justin zu unterhalten und ihn zu beeindrucken. Sie hatte es immer der fantastischen Form dieser Schuhe zugeschrieben, dass sie sogar noch fähig gewesen war, von der Bar bis zum Taxi zu laufen, ohne mit der Nase voran in einer Pfütze zu landen. Justin hatte gern Witze darüber gemacht, dass er am Ende die Frau seiner Träume gefunden hatte: Eine, die ihn unter den Tisch trank und dann noch lange genug wach blieb, um morgens um drei mit ihm Käsetoast zu essen. Das waren noch Zeiten gewesen.
    Amy trat von dem Sarg zurück und fand ein

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