Alle meine Schuhe
drehte sich zu ihm um. »Diese Schuhe! Oder sollte ich sagen: der Schuh! Ehrlich, Margot Fonteyn, so ein Quatsch!«
Als Jack sie eingeholt hatte, passte er sich ihrem Tempo an und warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu.
»Und noch etwas – wissen Sie eigentlich, wie gefährlich es ist, Leute während der Fahrt mit der Lichthupe zu blenden?«
»Dafür entschuldige ich mich.«
Nun musste Amy gegen ihren Willen lächeln.
»Also gut, ausnahmsweise akzeptiert.«
»Danke.« Er bemühte sich, nicht zu grinsen.
Amy wurde es warm. Flirten wir etwa gerade? Um Himmels willen, das war nicht das Ziel dieses Gesprächs … Debbie würde es trotzdem gutheißen.
»Also«, begann Jack, nachdem sie am Wasser angelangt waren und auf die Reihen vertäuter Boote schauten. »Ist alles okay mit Ihnen? Sie sind ziemlich überstürzt aufgebrochen.«
»Es geht mir gut, danke.«
»Und darf ich davon ausgehen, dass es gar keine Wendy gibt?«
»Wen?«
Er gab ihr einen Tipp. »Die Freundin, auf die Sie angeblich gewartet haben.« Er strahlte sie an.
»Ich weiß verdammt gut, wer Wendy ist. Besten Dank!«
Amy hatte im Geiste eine Münze geworfen und daraufhin entschieden, dass Angriff die beste Verteidigung sei.
Wenn er doch nur diesen amüsierten Tonfall lassen könnte, dieses selbstgefällige, freche … und wie dreist er seine Großmutter anlügt! Schlimmer geht’s wirklich nicht!
»Übrigens ein ziemlich starkes Stück, ausgerechnet jetzt mit dieser Wendy-Geschichte ablenken zu wollen. Dieser Ballettschuh gehörte nicht Margot Fonteyn, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie das wissen«, konterte sie.
Jack öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schaute dann aber weg und betrachtete versonnen das Meer. Er sah aus, als wünschte er, irgendwo da draußen zu sein und nicht auf dem Festland, wo er sich gegen ein vorwitziges, englisches Mädchen verteidigen musste.
»Sie wissen es, nicht wahr?«, fragte Amy eindringlich, verärgert über den distanzierten Ausdruck in seinen Augen.
Er hob abwehrend die Hände und zuckte reumütig mit den Schultern. »Ja, Amy – oh, Pardon, falls Sie überhaupt Amy heißen …«
Sie antwortete mit ihrem vernichtendstem Blick. »Ja, Amy. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir bekannt war, dass dieser Schuh nicht von Margot Fonteyn ist. Und ich schäme mich dafür, ehrlich.«
Amy kniff die Augen zusammen. »Warum in aller Welt haben Sie Ihrer reizenden Großmutter dann etwas vorgemacht?«
Er lächelte und wandte sich ihr wieder zu. »Sie finden, dass sie reizend ist? Das ist sie wirklich, nicht wahr?«
»Natürlich ist sie das – wer würde das nicht finden? Aber bleiben wir doch beim Thema!«
»Das ist das Thema!« Er breitete die Arme in einer Geste der Hilflosigkeit aus. »Sie ist für mich etwas so Besonderes, dass ich sie unmöglich enttäuschen konnte! Ich habe versucht, bei eBay für die echten Schuhe zu bieten, sobald sie mir davon erzählt hatte. Aber es war zu spät, die Schuhe waren bereits verkauft. Dann habe ich alles versucht – den Verkäufer angemailt und gebeten, er möge mir die Schuhe verkaufen, er solle mir einfach sagen, wie viel er dafür haben wolle. Aber der wollte nicht von seinem Geschäft mit dem erfolgreichen Bieter zurücktreten …«
»Von Aufrichtigkeit scheinen Sie trotzdem nicht viel zu halten?«, blaffte Amy ihn an und bereute es sofort wieder. Ein Anflug von Verletztheit blitzte in Jacks Gesicht auf, und seine Haltung verhärtete sich ein bisschen.
»Ich weiß, was Aufrichtigkeit ist, Amy, besten Dank.«
»Sorry …« Jack war ein Stück von ihr weggerückt.
»Jedenfalls«, fuhr er fort, »habe ich stundenlang im Internet über Margot Fonteyn recherchiert, um herauszufinden, ob es eine andere Möglichkeit gibt, an ein paar Schuhe von ihr zu kommen. Keine Chance. Also forschte ich über Herstellungstechniken von Ballettschuhen und nachdem ich erst einmal herausgefunden hatte, dass die seit Jahrzehnten auf die immer gleiche Weise hergestellt werden …«
»… wurde Ihnen klar, dass Sie doch einfach irgendein altes Paar Tanzschuhe nehmen könnten?«
Wieder hatte Amy nicht beabsichtigt, dass ihre Stimme derart missbilligend klang.
Jack zuckte mit den Schultern, als gäbe er sich geschlagen. »Wollen Sie die Wahrheit wissen? Ja, Amy, genau das habe ich gedacht. Ob ich stolz auf mich bin? Kann ich nicht behaupten. Aber ich war glücklich, als ich feststellte, dass die Schuhe, die ich ersteigert hatte, nicht viel später hergestellt worden
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