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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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eines Tages meine eigene Werft eröffnen zu können.«
    Amy betrachtete ihn. »Klingt gut. Sie wirken auf mich auch nicht wie jemand, der den ganzen Tag im Büro sitzen könnte.«
    »Danke«, antwortete er und errötete leicht. »Ich nehme das als Kompliment.«
    Amy sagte nichts dazu.
    »Deshalb verbringe ich jede freie Minute auf dem Wasser oder auf der Werft eines Freundes, wo ich Boote repariere. Sehen Sie die Yacht da vorn? Ich habe mitgeholfen, sie zu bauen.« Er zeigte auf einen Pulk verschiedenster Boote, die vor ihnen im Hafen lagen.
    Amy blinzelte. »Was, etwa die große weiße mit den zwei hohen Masten?«
    »Nein, das ist ein Schoner – allerdings auch eine Schönheit. Direkt davor, die mit dem hohen Mast vorn und dem kürzeren dahinter.«
    »Ja, jetzt sehe ich sie – was für eine wunderschöne Form.« Sie sah ihn unsicher an. »Oder haben Sie dafür einen Fachausdruck? Schöne klare Linie oder so etwas?«
    Er lachte. »Allerdings! Mit Begriffen sind wir in der Segelwelt penibel. Leinen heißen bei uns Schots. Taue zum Verspannen des Masts sind Wanten, wir luven, lavieren, lichten Anker …«
    »Stopp!« Amy hielt sich die Ohren zu. »Das ist ja wie eine Fremdsprache!«
    »So schlimm nun auch nicht«, erwiderte er. »Man braucht nicht lange, um die Fachausdrücke zu beherrschen – und man kann sie in den Handbüchern nachschlagen. Die Wolken, zum Beispiel …«
    »Wolken?«, wiederholte Amy. »Sie haben einen Fachbegriff für Wolken? Wie prosaisch. «
    »Prosaisch?«, wiederholte er unsicher.
    »Ist ein Fachterminus«, kicherte Amy. »Können Sie nachschlagen. Wo waren Sie stehen geblieben?«
    »Bei den Wolken. Schauen Sie nach oben. Sehen Sie diese ausgefransten? Das sind Zirruswolken. Das bedeutet, dass vielleicht eine Wetterfront im Anmarsch ist.«
    »Tatsächlich?« Amy nickte und suchte verzweifelt nach einer intelligenten Frage, mit der sie ihren kleinen Triumph ausbauen könnte, aber sie kannte sich einfach im Boots-Metier nicht aus.
    Wie kann ich nur dieses Gespräch auf etwas lenken, womit ich mich auskenne – Schuhe, zum Beispiel?
    »Hätten Sie Lust auf eine kleine Bootstour durch den Hafen?« Jacks Augen strahlten. »Ich habe dort drüben eine Jolle, getakelt und bereit zum Auslaufen. Außerdem erreichen wir gerade den Kenterpunkt.«
    »Den was …?«
    »Die Umkehr des Gezeitenstroms, Sie wissen schon, Ebbe und Flut. Kommen Sie, das wird Spaß machen.«
    Amy schaute sehnsüchtig in die Richtung, in die Jack zeigte, und fragte sich währenddessen, wer dieser Mann wirklich war. Er schien einer gänzlich anderen Welt anzugehören als sie. Ihm in einer winzig wirkenden Jolle ihr Leben anzuvertrauen, konnte nicht vernünftig sein. Außerdem: Hatte sie dafür überhaupt die richtigen Schuhe an?

20. Kapitel
    S ind Sie sicher, dass Sie nicht mitwollen?« »Ja, ich fürchte schon. Tut mir leid.«
    »Wirklich schade. Das Wetter ist ideal.« Er hielt den Kopf in die leichte Brise und betrachtete aufmerksam die sanft wogende Meeresoberfläche.
    Ideal, das stimmt …
    Dann begann er zu lächeln und sagte: »Wissen Sie, Amy, Sie sind für mich ein gutes Omen.«
    Amy war verdutzt. »Omen? Was meinen Sie damit?«
    »Omen ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber Sie haben mich daran erinnert, was das eigentlich Wichtige an der Beziehung zu meiner Großmutter ist. Durch Sie ist mir klar geworden, dass ich zurückfahren und ihr die Wahrheit sagen muss.«
    »Mhm …« Amy fand, dass er im Prinzip recht hatte, aber aus irgendeinem Grund fühlte es sich falsch an. Was zumindest verwirrend war, wenn man bedachte, dass sie ihm vorher die ganze Zeit vorgehalten hatte, er würde Alice täuschen. »Sicher?«
    Er nickte. »Ja, ich denke schon. Vielleicht war der einzelne Schuh das Omen – der Hinweis, dass mein Verhalten falsch war. Das war ein weitsichtiger Schachzug von Ihnen, nur einen Schuh einzupacken.«
    »Wie ich schon sagte, habe ich nichts damit zu tun!«, protestierte sie – und sah erst dann das schelmische Blitzen in seinen Augen. Entrüstet gab sie ihm einen Klaps auf den Arm. »Jack, vielleicht sollten Sie es ihr nicht sagen. Sie sind schon so weit gegangen, meinen Sie nicht, dass es besser wäre, die Dinge so zu lassen, wie sie sind?«
    »Aber dann bekommen Sie Ihre Schuhe nicht zurück! Ich ging davon aus, dass Sie genau das wollten? Deshalb sind Sie doch hier?«
    Amys Unbewusstes hatte ihr anscheinend wieder einen Streich gespielt. Indem sie Jack überredete, nichts zu unternehmen, ließ sie

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