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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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dir von Anfang an erzählen sollen, aber es ging einfach nicht.«
    »Na, wie auch immer, war nett, die ganze Geschichte zu hören, Abe.«
    Warum zum Teufel hörst du ausgerechnet Sergei zu und nicht mir? Warum, Justin Campbell?
    »Das alles hätte ich dir auch sagen können, Justin. Aber mir hättest du wahrscheinlich nicht geglaubt, oder?«
    Wieder folgte eine Pause. Amy spielte mit den Nieten an der Vordertasche ihrer Jeans und wartete.
    »Wahrscheinlich nicht.« Justins Stimme war wie eine Maske, hinter die sie nicht schauen konnte. Amy hatte nicht den geringsten Schimmer, was in seinem Kopf vorging. »Aber, sag mal«, fuhr er wesentlich heiterer fort, »was ist das für eine Geschichte, dass du unterwegs bist, um deine Schuhe zurückzuholen? Gefällt mir, Abe! Was für eine verrückte Idee!«
    »Wenn du meinst, Justin.«
    Wieder herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Um sie herum nahm der Betrieb im Terminal zu. Dennoch schien es eine unsichtbare Sperrzone um sie herum zu geben. Als würde die Welt ihr Raum lassen, um sich durch das Gespräch zu manövrieren, das sie sich verzweifelt gewünscht hatte, seit sich Justin vor zwei Wochen von ihr getrennt hatte.
    »Hast du sie gefunden?«
    »Ein paar.«
    »Ah.«
    Wieder Schweigen.
    »Justin?«
    »Ja?«
    »Dir ist schon klar, dass du Mums Ballettschuhe verkauft hast?« Amy schloss die Augen.
    »Also, um ehrlich zu sein, hatte ich bei denen auch ein schlechtes Gewissen«, erwiderte er mit sehr viel sanfterer Stimme. »Aber erst, nachdem ich sie schon in die Post gegeben hatte, dämmerte mir, wie wichtig sie dir waren.«
    »Sie bedeuteten mir alles .«
    »Ich weiß, Abe. Und wenn ich bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte ich sie auch nicht weggegeben. Ehrlich. Aber ich war so wütend auf dich. Ich dachte …«
    »Ich weiß! Ich weiß, was du dachtest!«, platzte Amy heraus. »Du dachtest, ich hätte dich betrogen, so wie Natasha!« Sie rieb sich den Kopf. Der Schmerz war jetzt in ein Pochen übergegangen. »Lass uns das nicht noch einmal durchgehen.«
    »Okay.« Er klang erleichtert. »Entschuldige, Abe. Vergeben und Vergessen?«
    »Vergeben und vergessen.«
    Sollte es wirklich so einfach sein? Konnte so viel Schmerz mit so wenigen Worten einfach weggewischt werden?
    »Hast du es geschafft, sie zurückzubekommen? Die Ballettschuhe?«
    Amy hörte seiner Stimme an, wie gespannt er war, sie spürte förmlich, wie er den Atem anhielt. Das hatte etwas Tröstliches. Am Ende zeigte er doch noch eine Gefühlsregung. Wenigstens etwas. Es erinnerte sie an die guten Zeiten, die sie miteinander verbracht hatten – und davon hatte es eine Menge gegeben: die Gigs, Spaziergänge im Park, Kinobesuche, kuschelige Nächte in … einen Moment lang sah sie den alten Justin vor sich.
    »Einen habe ich zurückbekommen.«
    »Nur einen? Warum das denn?«
    »Sag du’s mir. Du hast nur einen in den Karton gelegt und nach Patchogue geschickt.«
    »Patch-og? So spricht man das aus? Ich hatte angenommen, es reimt sich auf Minogue, wie bei Kylie. Schon merkwürdig. Eigentlich sollte man davon ausgehen können …«
    »Justin! Der Schuh?«
    »Ach, ja, entschuldige, Abe. War wirklich nur einer im Karton?«
    »Ja, ich war dabei, als er ausgepackt wurde.« Der Gedanke daran beschwor die Erinnerung an Jack herauf, sein Schenkel fest an ihren gepresst auf dieser kleinen Bank in Pleasant Shores , und wie er sie beim Tanzen in den Armen gehalten hatte. Sollte sie sich deshalb schuldig fühlen? Ihr dröhnender Kopf war jedenfalls nicht in der Lage, das zu entscheiden.
    »Ach, jetzt weiß ich, wie es dazu gekommen ist! Mist, was für ein Albtraum. Den weiten Weg in die Staaten zu fliegen und dann nur einen zu finden!«
    »Erzähl mir, was passiert ist, Justin.«
    »Als ich die Schuhe aus den Kartons nahm, um sie in diese gepolsterten Versandtaschen zu stopfen, sind mir ein paar Kartons runtergefallen. Vielleicht sind sie mir durcheinandergeraten und ich habe das Gegenstück in einen anderen Karton gesteckt. Ich war ziemlich durch den Wind.«
    Amy nickte. Es war komisch, auf eine derart banale Erklärung zu stoßen. Kein verschlüsselter Hinweis, keine versteckte Botschaft – kein »Omen«, wie Jack es genannt hatte. Es war einfach nur Justin gewesen, der sich auf dem Höhepunkt seiner Wut wie ein achtloser Dummkopf aufgeführt hatte.
    »Mist, das wird meiner Verkäuferbewertung bei eBay nicht guttun. Bestimmt gibt mir dieser Scheiß-Käufer eine saumäßige Bewertung. Verdammt! Dabei wollte

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