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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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und sie zu bestärken, als sie sich ihren Weg durch die belebten Straßen suchte.
    Sie war gerade mal zehn Minuten im strahlenden Sonnenschein unterwegs, als ihr auffiel, dass sie kaum noch hinkte. Der Knöchel schmerzte nur noch leicht, obwohl die Wirkung des Schmerzmittels seit Stunden verflogen sein musste. Nahezu überwältigt von dem Gefühl, das Richtige zu tun, marschierte Amy von Block zu Block und schielte zwischendurch immer wieder auf ihren Stadtplan, der sie zu Madeleine Hayes, 8363 Carson, führen sollte. Wer auch immer, wo auch immer und was auch immer das war.
    Nachdem sie im Anschluss an ihr Gespräch mit Justin als Letzte an Bord ihres Fluges von JFK nach Miami gegangen war, passierte unterwegs etwas Sonderbares. Sie hatte sich angeschnallt, eine Packung Papiertaschentücher bereitgelegt, sich im Voraus bei ihrer Sitznachbarin entschuldigt und sie gebeten, sie einfach zu ignorieren, zwei Aspirin und eine Flasche Wasser zu sich genommen und sich dann darauf eingerichtet, während des gesamten Fluges zu weinen.
    Aber nichts passierte. Während die Maschine abhob, entfaltete sie ein Papiertuch, starrte es an und wartete. Nichts. Ihre Kopfschmerzen verschwanden und auch das Klopfen in ihrem Knöchel ließ nach, als das Aspirin zu wirken begann. Aber nicht eine einzige Träne trat aus ihren heißen, übermüdeten Augen – auch wenn der gesunde Menschenverstand ihr noch so sehr sagte, dass sie eigentlich weinen müsste.
    Sie fühlte sich wie die Heldin am Ende eines ihrer Lieblingsfilme, als sie mit verträumtem Ausdruck aus dem Fenster schaute, bereit, sich einer unsicheren Zukunft zu stellen, während das Bild langsam dunkel wurde und der Nachspann ablief. Sie hatte versucht, sich zu entspannen und einfach den Flug zu genießen, aber stattdessen machte sie ein Nickerchen und musste von der Stewardess geweckt werden, um sich für die Landung anzuschnallen.
    Das war für Amy eine überaus unerwartete Reaktion. Vielleicht würde die Trauer später noch kommen, in ein paar Tagen, Wochen oder sogar Monaten. Aber jetzt konnte sie nicht heulen, im Gegenteil. Sie fühlte sich großartig, als würde ihr frische Energie auf dem Silbertablett serviert.
    Anders als in Irland brachte sie eine anständige Karte schließlich zur Carson Street, einem breiten Boulevard mit Häusern unterschiedlichster Bauart und Geschäften, flankiert von Palmen und großen staubigen Autos. Nummer 8363 entpuppte sich als riesiges, weißes Holzhaus mit flachem Dach. Daneben lag ein kleines Atelier.
    Als Amy die Stufen hinaufstieg und an der Tür klingelte, klopfte ihr Herz – aber das kannte sie schon.
    Bitte, bitte, keine Wahnsinnige, kein Psychopath und auch kein umwerfend aussehender Beachboy mit Shorts, blondem Strähnchenhaar und Schlafzimmerblick. Ich bin dafür nicht in der Stimmung.
    Vor der glasgetäfelten Holztür war ein feinmaschiges Fliegengitter angebracht, so dass Amy drinnen kaum etwas erkennen konnte. Schemenhaft zeichnete sich eine große Eingangshalle mit poliertem Parkettboden ab. Am Ende führte eine breite Treppe nach oben, teilte sich in der Mitte in zwei Hälften, die zu beiden Seiten auf eine umlaufende Galerie führten, deren Wände mit großformatigen modernen Kunstwerken behängt waren.
    »Was wollen Sie?« Eine schrille, mürrische Stimme rief von dort oben in Richtung Haustür. Amy schrak zurück, entspannte sich jedoch sofort wieder, als sie sah, dass der Besitzer dieser Stimme die Treppe hinuntergeschlurft kam.
    Es war eine Halbwüchsige – zumindest nahm Amy an, dass es sich um ein Mädchen handelte -, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, mit langem, pechschwarz-bläulich gefärbtem Haar, kalkweißem Gesicht, schwarzem Lippenstift und fingerlosen, nietenbesetzten Handschuhen.
    Wusste gar nicht, dass es in Florida Gruftis gibt. Ich dachte, hier leben nur alte Leute. In diesen schwarzen Klamotten musste man doch irrsinnig schwitzen? Und welche Art Weltschmerz beklagten die hier eigentlich, bei den vielen Stränden und dem ewigen Sonnenschein?
    Das Mädchen, so um die vierzehn, kam mit offenem Mund durch die Halle geschlurft, den Kopf zur Seite geneigt, als wäre es viel zu anstrengend, ihn hochzuhalten. Sie öffnete die Haustür und sprach durch das Fliegengitter hindurch mit Amy.
    »Jaa? Wasnlos?«
    »Entschuldige die Störung«, begann Amy und fühlte sich etwa hundert Jahre älter als das Mädchen vor ihr, »aber ich suche Madeleine Hayes?«
    Die Augen des Mädchens verengten sich für einen Moment

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