Alle meine Wünsche (German Edition)
Ausgangspunkt der neuen Leben. Hier, wenn man Hervé Meunier gegenübersitzt, entdeckt man den Zaubertrank. Hier erhält man den Talisman, der das Leben verändert.
Den Gral.
Den Scheck.
Den Scheck auf Ihren Namen. Auf den Namen Jocelyne Guerbette. Einen Scheck über 18547301 Euro und 28 Cent.
Er bittet mich um den Lottoschein und meinen Ausweis. Er überprüft. Macht einen kurzen Anruf.
Der Scheck ist in zwei Minuten fertig. Wollen Sie einen Kaffee? Wir haben die ganze Nespresso-Palette.
Diesmal antworte ich nicht.
Wie Sie wollen. Ich persönlich bin süchtig nach Livanto, wegen seines cremigen, weichen, vollmundigen Geschmacks, gut, also, inzwischen würde ich Sie gern zu einem Kollegen begleiten. Sie müssen sogar mit ihm sprechen.
Ein Psychologe. Ich wusste nicht, dass Achtzehn-Millionen-Euro-Haben eine Krankheit ist. Aber ich verkneife mir jeden Kommentar.
Der Psychologe ist eine Psychologin. Sie sieht aus wie Emmanuelle Béart, sie hat die gleichen Daisy-Duck-Lippen, so aufgeblasen, sagt mein Jo, dass sie platzen würden, wenn man hineinbeißt. Sie trägt ein schwarzes Kostüm, das ihre Plastik (wie bei plastischer Chirurgie ) unterstreicht, reicht mir eine knochige Hand und sagt: Es dauert nicht lange. Sie braucht vierzig Minuten, um mir zu erklären, dass das, was mir passiert, eine große Chance und ein großes Unglück ist. Ich bin reich. Ich werde mir kaufen können, was ich will. Ich werde Geschenke machen können. Aber aufgepasst. Ich muss mich hüten. Denn wenn man Geld hat, wird man plötzlich geliebt.
Unbekannte lieben Sie plötzlich. Sie werden Ihnen Heiratsanträge machen. Sie werden Ihnen Gedichte schreiben. Liebesbriefe. Hassbriefe. Man wird Sie um Geld bitten, um die Leukämie eines kleinen Mädchens zu heilen, das Jocelyne heißt, wie Sie. Man wird Ihnen Fotos eines gequälten Hundes schicken und Sie bitten, seine Patin, seine Retterin zu sein; man wird Ihnen versprechen, dass ein Tierheim, Hundefutter, Pastete, ein Hundewettkampf Ihren Namen erhalten. Die Mutter eines an Muskelschwund leidenden Kindes wird Ihnen ein anrührendes Video schicken, auf dem Sie ihren Kleinen auf der Treppe hinfallen, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen sehen, und sie wird Sie um Geld bitten, um einen Fahrstuhl im Haus einzubauen. Eine andere wird Ihnen Fotos ihrer eigenen Mutter schicken, die sabbert und inkontinent ist, und sie wird Sie mit Worten voller Tränen und Schmerz um Geld bitten, um ihr eine Hauspflegerin zu bezahlen, sie wird Ihnen sogar das Formular schicken, damit Sie Ihre Spende von den Steuern absetzen können. Eine Guerbette aus Pointe-à-Pitre wird sich als Ihre Cousine vorstellen und Sie um Geld für das Flugticket bitten, um Sie besuchen zu kommen, dann um das Geld für eine Wohnung und um Geld, damit sie ihren Freund, einen Wunderheiler, nachkommen lassen kann, der Sie von Ihren überflüssigen Kilos befreien wird. Ganz zu schweigen von den Bankern. Auf einmal zuckersüß. Schnurren hier, Katzbuckeln da. Steuerfreie Anlagen. Investieren Sie in den DOM. Das Malraux-Gesetz. Das Cellier-Gesetz. Gold, Stein und Edelsteine. Sie werden nichts über Steuern sagen. Über Vermögenssteuern. Steuerkontrollen. Oder über ihre eigenen Gebühren.
Ich verstehe, von welcher Krankheit die Psychologin spricht. Es ist die Krankheit derer, die nicht gewonnen haben, es sind ihre eigenen Ängste, mit denen sie mich infizieren wollen, wie eine Impfung des Bösen.
Ich protestiere: Es gibt doch aber Menschen, die überlebt haben. Ich habe nur achtzehn Millionen gewonnen. Was ist mit denen, die hundert, fünfzig oder auch nur dreißig Millionen gewonnen haben?
Ganz genau, antwortet die Psychologin mit geheimnisvoller Miene, ganz genau.
Jetzt, erst jetzt, nehme ich einen Kaffee an. Ein Livato , glaube ich, oder ein Livatino vielleicht, auf jeden Fall cremig. Ein Stück Zucker, danke.
Es gab viele Selbstmorde, sagt sie mir. Viele, viele Depressionen, Scheidungen, Hass und Dramen. Wir haben Messerstechereien erlebt. Verletzungen mit dem Duschkopf. Verbrennungen mit Propangas. Zerstörte, vernichtete Familien. Verräterische Schwiegertöchter, zu Alkoholikern werdende Schwiegersöhne. Auftragsmorde; ja, wie im schlechten Film. Ich habe einen Mann erlebt, der demjenigen, der seine Frau umbringt, tausendfünfhundert Euro versprach. Sie hatte nicht mal siebzigtausend Euro gewonnen. Ein anderer hat zwei Fingerglieder abgeschnitten, um einen Geldkartencode zu erfahren. Falsche Unterschriften, falsche Schriften.
Weitere Kostenlose Bücher