Alle meine Wünsche (German Edition)
Geld macht verrückt, Madame Guerbette, es ist die Ursache bei vier von fünf Verbrechen. Von jeder zweiten Depression. Ich kann Ihnen keinen Rat geben, schloss sie, nur diese Information. Wir haben eine psychologische Beratungsstelle, wenn Sie es wünschen. Sie stellt ihre Tasse hin, in die sie ihre Daisyduck’schen Lippen nicht mal eingetaucht hat. Haben Sie es Ihren Nächsten mitgeteilt?
Nein, antworte ich.
Wunderbar, sagt sie. Wir können Ihnen helfen, es ihnen zu sagen, die richtigen Worte zu finden, um den Schock zu mildern, denn das wird ein Schock, Sie werden sehen. Haben Sie Kinder?
Ich nicke.
Nun, sie werden Sie nicht mehr nur als Mutter ansehen, sondern als reiche Mutter, und sie werden ihren Anteil verlangen. Und Ihr Gatte, vielleicht hat er eine bescheidene Arbeit, nun, er wird aufhören wollen zu arbeiten, sich um Ihr Vermögen kümmern, für ihn wird es Ihr gemeinsames Vermögen sein, da er Sie liebt, o ja, er wird Ihnen sagen, dass er Sie liebt, in den nächsten Tagen und Monaten, er wird Ihnen Blumen schenken …
Dagegen bin ich allergisch, unterbreche ich sie.
… Schokolade, ich weiß nicht was, fährt sie fort, auf jeden Fall wird er Sie verwöhnen, wird er Sie einschläfern, wird er Sie vergiften. Das ist ein vorgezeichnetes Szenario, Madame Guerbette, seit langem festgelegt, die Begierde zerstört alles, was ihr in den Weg kommt; denken Sie nur an die Borgia, die Agnelli und erst kürzlich die Bettencourt.
Dann muss ich ihr versichern, dass ich wirklich verstanden habe, was sie gesagt hat. Sie reicht mir ein kleines Kärtchen mit vier Notrufnummern: Zögern Sie nicht, uns anzurufen, Madame Guerbette, und vergessen Sie nicht – fortan wird man Sie für etwas anderes lieben als für Sie selbst.
Dann bringt sie mich zurück zu Hervé Meunier.
Der mit blitzenden Zähnen lächelt.
Seine Zähne erinnern mich an die des Verkäufers unseres ersten Gebrauchtwagens, eines blauen Ford Escort von 1983, an einem Märzsonntag auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt Leclerc. Es regnete.
Ihr Scheck, sagt er. Bitteschön. Achtzehn Millionen fünfhundertsiebenundvierzigtausenddreihunderteinen Euro und achtundzwanzig Cent, liest er langsam, wie ein Todesurteil. Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber eine Überweisung haben wollen?
Ich bin sicher.
Obwohl ich mir bei gar nichts mehr sicher bin.
M ein Zug nach Arras geht in sieben Stunden.
Ich könnte Hervé Meunier, wenn er es mir doch anbietet, bitten, meine Fahrkarte umzutauschen, einen früheren Zug zu reservieren, aber draußen ist es schön. Ich will ein bisschen laufen. Ich brauche Luft. Daisy Duck hat mich k.o. geschlagen. Ich kann nicht glauben, dass sich ein Mörder oder auch nur ein Lügner oder Dieb in meinem Jo verkriecht. Nicht glauben, dass mich meine Kinder mit den Augen von Dagobert Duck ansehen werden, aus denen in den Comic-Heften meiner Kindheit die $-Zeichen sprangen, wenn er etwas erblickte, was er begehrte.
Die Begierde zerstört alles, was ihr in den Weg kommt , hatte sie gesagt.
Hervé Meunier bringt mich bis vor die Tür. Er wünscht mir viel Glück: Ich glaube, Sie sind ein guter Mensch, Madame Guerbette.
Ein guter Mensch, von wegen. Ein Mensch mit achtzehn Millionen, das ja. Ein Vermögen, das ihm seine Katzbuckelei niemals einbringen wird. Es ist komisch, wie oft man bei Lakaien das Gefühl hat, sie besäßen den Reichtum ihrer Herren. Das geht so weit, dass man versucht ist, sich zu ihrem Lakaien zu machen. Der Lakai des Lakaien.
Übertreiben Sie nicht, Monsieur Meunier, sage ich und ziehe meine Hand zurück, die er mit feuchter Eindringlichkeit festhält. Er senkt die Augen und geht ins Haus zurück, öffnet mit seinem Badge die Drehtür. Er wird in sein schickes Büro zurückkehren, in dem ihm nichts gehört, nicht mal der dicke Teppichboden oder das Gemälde mit den Hochhäusern an seiner Wand. Er ist ein Verwandter der Bankkassierer, die tagtäglich Tausende Geldscheine zählen, die ihnen lediglich die Finger verbrennen.
Bis zu dem Tag, wo.
Ich gehe die Rue Jean-Jaurès bis zur Metrostation Boulogne-Jean-Jaurès entlang, Linie 10, Richtung Gare d’Austerlitz, umsteigen in Motte-Picquet. Ich schaue auf meinen Zettel. Linie 8, Richtung Créteil-Préfecture, Madeleine aussteigen, den Boulevard de la Madeleine überqueren, die Rue Duphot entlang und links die Rue Cambon bis zur Nummer 31.
Ich habe kaum Zeit, die Hand auszustrecken, da öffnet sich der Laden dank der Aufmerksamkeit eines Türstehers wie von
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