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Alle meine Wünsche (German Edition)

Alle meine Wünsche (German Edition)

Titel: Alle meine Wünsche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grégoire Delacourt
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du würdest nie mehr auf den Preis von etwas schauen, und weil du ein schlechtes Gewissen haben würdest, würdest du sogar etwas für die Krebshilfe spenden. Oder für MS-Kranke.
    Ich zuckte mit den Schultern. Das kann ich alles machen, ohne gewonnen zu haben, sagte ich.
    Ja, aber das ist nicht dasselbe, widersprachen sie, ganz und gar nicht dasselbe. Du kannst nicht …
    Eine Kundin kam herein, brachte uns zum Schweigen, ließ uns unser Kichern herunterschlucken.
    Sie sah sich ohne großes Interesse die Taschenhenkel an, nahm einen aus starrem Manilahanf in die Hand, dann drehte sie sich um und fragte mich nach Jo. Ich beruhigte sie, dankte ihr.
    Ich hoffe, er hat sich über meine Weste gefreut, sagte sie, eine grüne Weste mit Holzknöpfen, dann vertraute sie mir mit einem Schluchzen an, ihre große Tochter sei im Krankenhaus, sie werde an dieser gemeinen Grippe sterben. Ich weiß nicht mehr, was ich tun und was ich ihr sagen soll. Sie finden so schöne Worte in Ihrem Blog, Jo, was kann ich zu ihr sagen, um Abschied von ihr zu nehmen? Können Sie mir die Worte geben? Bitte!
    Danièle und Françoise verdrückten sich. Selbst wenn sie achtzehn Millionen hätten, selbst wenn wir alle achtzehn Millionen hätten, hatten wir plötzlich gar nichts mehr, als wir vor dieser Mutter standen.
    Als wir ins Krankenhaus kamen, war ihre Tochter auf die Intensivstation verlegt worden.

    I ch hatte den Scheck unter der Einlegesohle eines alten Schuhs versteckt.
    Manchmal wartete ich nachts, bis Jo schnarchte, stand auf, ging geräuschlos zum Kleiderschrank, steckte die Hand in den Schuh und holte den Papierschatz heraus. Dann schloss ich mich im Badezimmer ein, setzte mich auf die Toilette, faltete das Papier auseinander und starrte es an.
    Von den Zahlen wurde mir schwindlig.
    An meinem achtzehnten Geburtstag hatte mein Vater mir in Francs gegeben, was heute zweitausendfünfhundert Euro wären. Das ist viel Geld, hatte er gesagt. Damit kannst du die Kaution für eine Wohnung bezahlen, du kannst eine schöne Reise machen, du kannst dir alle Modebücher kaufen, die du haben willst, oder einen kleinen Gebrauchtwagen, wenn du das lieber möchtest; und damals fühlte ich mich reich. Heute verstehe ich, dass ich durch sein Vertrauen reich war; das ist der größte Reichtum.
    Ein Klischee, ich weiß. Aber wahr.
    Vor dem Schlaganfall, der ihn seither in einer Schleife von sechs Minuten Gegenwart gefangen hält, hatte er mehr als zwanzig Jahre bei ADMC gearbeitet, der Chemiefabrik in Tilloy-les-Mofflaines, vier Kilometer von Arras entfernt. Er kontrollierte die Herstellung von Didecylammoniumchlorid und Glutaraldehyd. Maman verlangte, dass er abends sofort unter die Dusche ging, wenn er nach Hause kam. Papa lächelte und kam diesem Verlangen gern nach. Glutaraldehyd war immerhin wasserlöslich, Didecylchlorid nicht. Aber niemals färbten sich zu Hause die Tomaten blau, explodierten die Eier oder wuchsen uns Tentakeln im Rücken. Offenbar vollbrachte die Kernseife Wunder.
    Maman unterrichtete in der Grundschule Zeichnen und leitete jeden Mittwochabend ein Atelier mit Modellen im Musée des Beaux-Arts. Sie hatte einen wunderbaren Bleistiftstrich. Das Fotoalbum unserer Familie ist ein Zeichenheft. Meine Kindheit gleicht einem Kunstwerk. Maman war schön, und Papa liebte sie.
    Ich starre diesen verfluchten Scheck an, und er starrt zurück.
    Klagt mich an.
    Ich weiß, dass man seine Eltern niemals genug verwöhnen kann, und wenn einem das bewusst wird, ist es schon zu spät. Für Romain bin ich nur noch eine Telefonnummer im Speicher seines Mobiltelefons, Erinnerungen an Ferien in Bray-Dunes und ein paar Sonntage in der Somme-Bucht. Er verwöhnt mich nicht, wie ich meine Eltern nicht verwöhnt habe. Wir geben unsere Fehler immer weiter. Bei Nadine ist es anders. Sie spricht nicht. Sie gibt. Wir müssen lernen zu dekodieren. Zu empfangen. Seit letztem Weihnachten schickt sie mir ihre kleinen Filme aus London über Internet.
    Der letzte dauert eine Minute.
    Es ist nur eine einzige Einstellung mit ziemlich rasanten Zoomeffekten. Man sieht eine alte Frau auf einem Bahnsteig, in Victoria Station. Sie hat weiße Haare, wie ein großer Schneeball. Sie ist aus einem Zug gestiegen, macht ein paar Schritte, dann stellt sie ihren zu schweren Koffer ab. Sie sieht sich um; die Menge umströmt sie wie Wasser einen Stein; und dann ist sie plötzlich ganz allein, winzig, vergessen. Die Frau ist keine Schauspielerin. Die Menge ist keine Menge von Statisten.

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