Alle Menschen sind sterblich
Schweizerhäuschen ein und nahmen auf einer schmalen Holzterrasse Platz, die hart am Wasser lag. Ein Lastkahn hielt am Ufer; eine Frau wusch die Wäsche, und ein Hündchen bellte. Auf dem anderen Ufer sah man niedere Häuser mit grünen, gelben und roten Fassaden; in der Ferne Brücken und hohe Schornsteine.
«Es ist hübsch hier, nicht wahr?» fragte Regine.
«Ja», sagte Fosca. «Ich habe Flüsse gern.»
«Ich bin oft hierhergekommen», sagte sie. «Ich setzte mich immer an diesen Tisch; ich studierte die Rollen und träumte davon, sie eines Tages zu spielen. Ich trank Limonade, denn Wein war teuer, und ich war damals arm.» Sie hielt inne: «Fosca, hören Sie überhaupt zu?»
Man war niemals ganz sicher, daß er auch hörte, was man sagte.
«Aber ja», sagte er. «Sie waren arm und tranken Limonade.»
Einen Augenblick lang saß er mit halbgeöffnetem Mund da, als sei ihm auf einmal ein wichtiger Einfall gekommen.
«Sind Sie denn jetzt reich?»
«Ich werde reich werden», sagte sie.
«Sie sind nicht reich, und ich koste Sie Geld. Sie müssen schnell eine Arbeit für mich finden.»
«Aber das eilt doch nicht.»
Sie lächelte ihn an. Sie wollte ihn nicht veranlassen, stundenlang in einem Büro oder in einer Fabrik zu sitzen, sie hatte das Bedürfnis, ihn dicht bei sich zu haben und alle Augenblicke ihres Lebens mit ihm zu teilen. Er war da, betrachtete den Lastkahn und die niederen Häuser; und alle diese Dinge, die Regine so geliebt hatte, traten mit ihr in die Ewigkeit ein.
«Aber ich hätte gern eine Tätigkeit», beharrte er.
«Versuchen Sie zuerst, das Stück zu schreiben, das Sie mirversprochen haben», sagte sie. «Haben Sie schon daran gedacht?»
«Aber gewiß.»
«Haben Sie eine Idee?»
«Ich habe viele Ideen.»
«Das dachte ich mir!» rief sie freudig aus.
Sie winkte den Wirt heran, der breitbeinig in der Tür stand.
«Eine Flasche Sekt. – Sie werden sehen», fuhr sie zu Fosca gewendet fort, «zu zweien werden wir große Dinge vollbringen.»
Foscas Miene verdüsterte sich. «Das haben schon viele Leute zu mir gesagt.»
«Aber ich bin nicht wie die vielen Leute», rief sie heftig aus.
«Das ist wahr», fiel er rasch ein. «Sie sind nicht wie die vielen.»
Regine schenkte die Gläser voll: «Auf unsere Pläne!» sagte sie.
«Auf unsere Pläne.»
Sie trank und blickte ihn dabei etwas beunruhigt an. Es war unmöglich, jemals genau zu wissen, was er eigentlich dachte.
«Fosca, wenn Sie mir nicht begegnet wären, was hätten Sie dann mit sich gemacht?»
«Vielleicht wäre es mir geglückt, wieder einzuschlafen. Aber wahrscheinlich nicht. Dazu gehört besonderes Glück.»
«Glück!» rief sie vorwurfsvoll. «Tut es Ihnen denn leid, daß Sie wieder lebendig geworden sind?»
«Nein», sagte er.
«Es ist doch schön, lebendig zu sein.»
«Es ist schön.»
Sie lächelten sich an. Kindergeschrei stieg von dem Lastkahn auf. In einem anderen Kahn oder in einem der kleinenbunten Häuser wurde Gitarre gespielt. Es dämmerte, aber ein Rest von Sonne hing noch an ihren Gläsern und dem hellen Wein darin. Fosca ergriff Regines Hand, die auf dem Tisch ruhte.
«Regine», sagte er, «heute abend bin ich glücklich.»
«Nur heute abend?» fragte sie.
«Ach! Sie können nicht wissen, wie neu das alles für mich ist! Ich hatte Erwartung, Gram, Verlangen wiedergefunden. Aber noch niemals eine solche Illusion der Vollkommenheit.»
«Ist es nur eine Illusion?» fragte sie.
«Was es auch ist! Ich will daran glauben!»
Er neigte sich zu ihr, und sie fühlte, wie unter seinen unsterblichen Lippen die ihren voller wurden: ihre Lippen, die die eines hochmütigen Kindes gewesen waren, eines einsamen jungen Mädchens, einer Frau in der Fülle des Glücks; und dieser Kuß würde sich in Foscas Herz eingraben zusammen mit dem Bild aller der Dinge, die sie liebte. Er ist ein Mensch mit Augen und Händen, mein Gefährte, mein Freund: und dabei unsterblich wie ein Gott. Die Sonne sank am Himmel herab: für ihn und für mich die gleiche Sonne. Wassergeruch stieg vom Fluß her auf, in der Ferne sang die Gitarre, und plötzlich hatte weder Ruhm noch Tod, noch irgend etwas Gewicht außer der unwahrscheinlichen Macht dieses Augenblicks.
«Fosca», sagte sie, «lieben Sie mich?»
«Ich liebe Sie.»
«Werden Sie denken an diesen Augenblick?»
«Ja, Regine, das werde ich.»
«Immer?»
Er drückte stärker ihre Hand.
«Sagen Sie: Immer», forderte sie.
«Dieser Augenblick ist da», sagte er, «und er gehört
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