Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
Vom Netzwerk:
Lebensdrang schien alles zu sprengen wie eine platzende Feuerkugel. Der Stoff des Kragens zerriß unter meinen Fingern; meine Hände sanken herab, meine leeren Hände. Mitten auf dem Platz ließ der Herold soeben eine Schranke nieder und rief den Sieg der Roten aus; die tobende Menge warf Blumen, Taschentücher und Bänder zu den Füßen der Sieger hin. Fünf waren getötet worden, neun andere verwundet. Doch alle diese Männer, die nach dem flüchtigen Sieg eines Tages trachten konnten, waren nichts anderes als arme, unreife Wesen; ich konnte an ihren Spielen keinen Gefallen finden. Der Himmel war noch ebenso blau wie am Gestade der Mincia, doch mir erschien er farblos und matt. Unter den Mauern von Florenz, da, wo die neue Zukunft begann, schien er mir aufzulodern in feurigem Rot und Gold gleich demjenigen, den ich in der Erinnerung trug.
    Palombo hatte recht gesehen; im Laufe des Winters verlegten alle Kaufleute von Rivello ihre Kontore nach Sismona, einer Hafenstadt, die in den Sumpfgebieten von Evisa gelegen war; die Handwerksleute standen mittellos, ohne Einnahmen da. Gestützt auf diese öffentliche Unzufriedenheit, wiegelte die Partei der Alboni die Einwohner auf und proklamierte die Unabhängigkeit der Stadt. Um den Versuch einer Wiedereroberung zu machen, hätte man eine Flotte gebraucht. Ich mußte mich damit begnügen, die umliegenden Felder zu verwüsten, die Ernten und Bauernhöfe zu verbrennen; aber ich beschloß, mich an der Stadt Evisa auf eine Weise zu rächen, daß damit ein Exempel statuiert sein würde.
    Diese Stadt, die mit Florenz verbündet war, lag im unteren Becken der Mincia, deren oberer Lauf meine Gemarkung bewässerte; zu beiden Seiten der Mauern bildete derFluß zwei Arme, die, eine Meile breit, die üblichen Festungsgräben ersetzten; zu tief, um durchwatet zu werden, war er an seinen Ufern zu schlammig, als daß die Kähne sich heranwagen konnten. Da gab ich einem meiner Ingenieure auf, den Lauf der Mincia abzulenken. Ein halbes Jahr war man tätig, einen Deich zu schaffen von ungewöhnlicher Stärke, um die Strömung zu dämmen, gleichzeitig ließ ich einen Berg durchbohren, um damit dem Fluß einen Ausgang in das Tal von Carmona zu geben. Die Einwohner von Evisa sahen schon im Geiste ihre Wasserbecken in todbringende Sümpfe verwandelt und ihre Befestigungen vernichtet zugleich mit der Zuträglichkeit der Luft. Sie schickten Gesandte zu mir, die mich anflehen sollten, meinen Sinn zu ändern; doch ich antwortete ihnen, es stände jedem frei, auf seinem Gebiet die Arbeiten ausführen zu lassen, die er für wünschenswert hielte. Schon glaubte ich sicher zu sein, daß die ihrer natürlichen Schutzmittel beraubte Stadt in meine Hände fallen würde, als mit einemmal ein furchtbares Unwetter losbrach. Die von Regengüssen angeschwollene Mincia riß alle Deiche fort und zerstörte in einer Nacht, woran meine Ingenieure seit Monaten arbeiteten.
    Da schickte ich meine Hauptleute Bentivoglio, Orsini und Puzzini aus, um rings das Land zu verwüsten. Da Florenz ein Heer aufstellte, um seinen Verbündeten zu Hilfe zu eilen, schloß ich ein Abkommen mit Siena; wir brachten eine Streitmacht von 10   000   Mann zusammen. Meine Soldaten und die Truppen der Söldnerführer trafen sich in Siena, und ich versuchte von da aus in Florenz einzufallen. Während ich von außen die Grenzen des Stadtgebietes umschritt, zogen die Truppen der Republik innen daran entlang, um uns den Eintritt zu verwehren. Zum Schein bedrohte ich Arezzo; sofort bemühten die Florentiner sich, mir den Zugang zu dieser Provinz zu verlegen. Da trat ich durch Chianti in das Grevetal ein, und dem Laufe des Arno folgend, stieß ich vorbis Florenz. Aus dem Vorland nahm ich gewaltige Beute mit mir, denn da kein Krieg erklärt worden war, hatten die Bauern nicht daran gedacht, ihr Vieh und ihre Habe in Sicherheit zu bringen.
    Zehn Tage lang rückten wir unbehindert vor; die Soldaten sangen; sie hatten die Mähnen der Pferde mit Blumen geschmückt, und unsere Kavalkade glich einem friedlichen Festzug. Als wir von einem Hügel aus Florenz vor uns liegen sahen mit seinen rötlich strahlenden Kuppeln, die in der Sonne blinkten, rang sich ein Freudenschrei aus jeder Brust. Wir schlugen unser Lager auf, und vier Tage lang blieben die Soldaten im blühenden Grase ausgestreckt und ließen die schweren Weinschläuche kreisen; Rinder weideten rings um die mit Teppichen, Spiegeln und Spitzen beladenen Wagen her, auch Kühe mit strotzenden

Weitere Kostenlose Bücher