Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
Vom Netzwerk:
die feindlichen Republiken durch eine Politik der Überlistung zu schwächen.
    Handelsverträge lösten Orci, Circio, Montechiaro von ihrem Bündnis mit Florenz; Agenten, scheinbar als Kaufleute in den Städten tätig, die Genua untertan waren, schürten Verschwörungen; in Genua selbst unterhielten sie die Zwietracht der Parteien. Sorgfältig achtete ich darauf, die alten Einrichtungen der Städte, die mir unterstanden, nicht irgendwie zu verletzen; auf diese Weise zogen viele kleinere Republiken, die es müde waren, ihre Freiheit mühevoll zu verteidigen, ihre Sicherheit der Freiheit vor und wählten meinen Schutz. Das Leben war hart in Carmona; die Menschen schliefen weniger als fünf Stunden in der Nacht, schafften vom Morgengrauen bis spät in den Abend hinein, webten Wolle ohne Unterlaß in den düsteren Werkstätten oder mußten sich in der glühenden Sonne harter Feldarbeit widmen; die Jugend der Frauen schwand damit hin, Kinder zu tragen und zu stillen, die vom zartesten Alter an zu allen Körperübungen angehalten wurden. Aber nach Ablauf von 30   Jahren war unser Gebiet so groß wie das von Florenz geworden. Genua im Gegenteil war durch mein Betreiben völlig heruntergekommen; meine Leute hatten seine Felder verwüstet, die festen Plätze niedergelegt; sein Handel ging zurück, die Schiffahrt war aufgegeben und die Stadt eine Beute aller Wirren der Anarchie. Ein letzter Schlag wurde ihr noch durch den Herzog von Mailand versetzt, der sie plötzlich angriff. Der Herzog von Carmagnola bahnte sich mühelos einen Weg durch die Berge mit 3000   Reitern und 8000   Fußsoldaten und begann damit, die Täler zu verwüsten. Sogleich machte ich mich zum Hafen von Livorno auf, der die Arnomündung beherrschte; ich hatte nicht einmal nötig, diese Stadt zu belagern, denn unfähig zur Verteidigung gaben die Genueser sie mir gegen die Summe von 100   000   Gulden preis. Stolz pflanzte ich auf der Burg von Livorno das Banner Carmonas auf, während meine Truppen mit lauten Freudenrufen den Triumph meiner zähen Bemühungfeierten. Nach dem Niedergang von Genua wurde nunmehr Livorno der erste Hafen Italiens.
    Alle Hoffnungen schienen erlaubt, als ein Bote kam, der mir Kunde brachte, daß der König von Aragonien, der seine Truppen mit denen des Herzogs von Mailand vereinigt hatte, Genua vom Meer aus anzugreifen plante. Auf einmal wurde mir klar, worin der Ehrgeiz des Herzogs bestand. Genua war unfähig, zwei mächtigen Gegnern zu gleicher Zeit die Stirn zu bieten. Sobald er Herr von Ligurien wäre, würde der Herzog Toscana mit Heeresmacht überziehen, Carmona und darauf Florenz zu seinen Vasallen machen. Ich hatte in Genua nur eine allzu stolze Rivalin sehen wollen und hatte alles getan, die Kräfte der Stadt zu schwächen, ohne daran zu denken, daß eines Tages ihr Untergang den meinen bedeuten könne.
    Ich mußte Genua meine Hilfe anbieten. Von inneren Kämpfen zerrissen, die ich selber mutwillig geschürt, entschloß sich die Stadt nicht leicht zum Kampf; sie dachte, wenn auch zögernd, daran, sich dem Herzog auszuliefern. Ich bemühte mich, ihre Glut zu entfachen; aber schon seit langem hatte sie aufgegeben, sich ein Heer zu halten, und die Söldnertruppen waren unzuverlässig. Ich ging Carmagnola entgegen, um ihm den Weg zu versperren; wir zogen das Arnotal hinauf, das unsere eigenen Feldherren so oft durch ihre Einfälle verwüstet hatten: die Festungen waren zerfallen, die Kastelle lagen zerstört. Anstatt daß wir uns hinter feste Mauern zurückziehen konnten, mußten wir uns auf dem Blachfeld in eine Schlacht einlassen; wir ernährten uns mit Mühe aus diesem unaufhörlich heimgesuchten Land. Unsere früheren Erfolge wendeten sich jetzt gegen uns. Nach einer Kriegführung von einem halben Jahr war mein verhungertes, erschöpftes, von Fiebern geschwächtes Heer nur noch ein Schatten seiner selbst. Da beschloß Carmagnola, einen Angriff auf uns zu machen.
    Carmagnola hatte 10   000   Reiter und 8000   Fußsoldaten hinter sich. Meine Reiterei war so unterlegen an Zahl, daß ich beschloß, eine neue Taktik zu wagen. Carmagnolas Berittenen stellte ich Männer zu Fuß entgegen, die mit Hellebarden bewaffnet dem ersten Ansturm begegneten. Oft schlugen sie mit einem Schwertstreich die Beine der Pferde ab, die ihnen entgegenstürmten, oder sie rissen sie an den Füßen zu Boden mitsamt den Berittenen. 400   Pferde wurden getötet, bis Carmagnola den Reitern den Befehl zum Absitzen gab. Der Kampf ging erbittert

Weitere Kostenlose Bücher