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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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gemacht. Eine Nacht wilder Festesfreude vollendete die Wandlung. Die Genueser Stadtväter wurden umgebracht, ihre Häuser geplündert, ihren Frauen Gewalt angetan. Eine Woche lang floß der Wein in Strömen in den Tavernen, und schamlose Lieder hallten wider in den Straßen der Stadt.
    In Rivello ließ ich nur eine kleine Besatzung zurück; mit dem übrigen Heer griff ich die Burgen und befestigten Plätze an, die die Straße von Carmona bis zum Meer beherrschten. Die durch die Pest dezimierten und von Lebensmitteln entblößten Besatzungen konnten sich gegen unseren Ansturm nicht verteidigen. Ich war mir klar darüber, daß meine Perfidie über ganz Italien hin Empörung hervorgerufen hatte. Doch die Genueser waren zu schwach, um sich auf einen Krieg einzulassen, und mußten in meinen Händen lassen, was ich erobert hatte.
    Sobald ich Herr von Rivello war, legte ich hohe Zölle auf alle Kaufmannsware, die in den Hafen kam; vergebens verlangten die Händler aus Florenz Befreiung von dieser Taxe, ich räumte ihnen keine Vorzugsstellung ein. Ich wußte, daß ich dadurch den Zorn der Stadt Florenz auf mich zog, doch ich schreckte vor der Aussicht auf Krieg mit dieser mächtigen Republik nun auch nicht mehr zurück.
    Ich bereitete mich zum Kampf. Mein Reichtum gestattete mir, mit fast allen Söldnerführern zu verhandeln, die in Italien Truppen hielten für solche Unternehmungen. Ich hielt sie ständig auf Halbsold, und daraufhin verpflichteten sie sich, ihre Scharen zu meiner Verfügung zu halten, sobald ichsie nötig hätte. In der Zwischenzeit ließ ich sie auf eigene Faust Krieg führen und von der Plünderung der Nachbarländer leben: so schwächten sie schon im Frieden die Städte, die ich angreifen wollte. Wenn ich einen festen Platz überrumpeln wollte, entließ ich nach außen hin einen meiner Feldherren, der im geheimen beauftragt war, das Unternehmen zu vollführen; wenn er scheiterte, tat ich so, als hätte ich nichts mit ihm zu tun. Ohne Kriegserklärung besaß ich daraufhin bald Burgen und Festungen auf allen Territorien, die meine Grenzen berührten. Als sich die Genueser entschieden, mit ihren Truppen das Feld vor Carmona zu überziehen, hatte ich eine Armee in Bereitschaft, und die tapfersten Söldnerführer, die in Italien waren, standen auf meinen Wink bereit.
    Zunächst ließ ich die Genueser mit ihren katalanischen Söldnern in unser Land einfallen; bei der Nachricht von ihrem Kommen flüchteten die Bauern mit ihren Ernten und dem Vieh in Städte, die auf meinen Befehl zuvor befestigt worden waren; so fanden die feindlichen Scharen kaum vor, wovon sie bestehen konnten auf unseren geräumten Feldern. Sie versuchten, sich einiger unserer Plätze zu bemächtigen; aber da unsere Burgen auf einzelnen Hügeln lagen und von der Bevölkerung erbittert verteidigt wurden, trotzten sie allen Bemühungen. Die von Angelo de Tagliana befehligten Truppen verzettelten und erschöpften sich bei diesen Belagerungen; es war leicht, kleine Formationen in Hinterhalte zu locken und Marodeure gefangenzunehmen, die auf den verlassenen Höfen nach Nahrung für die Menschen und nach Viehfutter suchten. Als Tagliana bis zum Ufer der Mincia vorgedrungen war, entschloß ich mich, ihm eine Schlacht zu liefern.
    An einem schönen Junimorgen zogen unsere Armeen einander gegenüber auf. Ein leichter Nebel erhob sich vom Fluß her, und das Blau des Himmels war ins Graue getönt;der Stahl der Panzer blitzte im jungen Tageslicht, die schmucken Pferde wieherten, und ich spürte im Herzen eine große Freude, so taufrisch wie das morgenfeuchte Gras. Nach gewohnter Taktik teilte Tagliana seine Streitmacht in drei Säulen ein; ich machte aus der meinen lauter kleine Gruppen. Da ich hinter dem zarten Himmelsgrau die drohende Schwüle eines heißen Nachmittags spürte, ließ ich Gefäße voll Wasser richten, um die Rosse zu tränken und damit die Soldaten nach jedem Strauß sich erfrischen könnten. Als das Zeichen zum Kampf gegeben war, stießen die beiden Heere mit Getöse aufeinander. Bald stellte sich der Vorteil meiner Taktik heraus; die Truppen der Genueser konnten Bewegungen nur mit großen Heereskörpern machen, während meine Soldaten in kleinen, selbständigen Gruppen ihre Angriffe führen und sich auch nach Bedarf wieder zurückziehen konnten, um sich neu zu formieren und wieder vorzustürmen. Um ihren Führer geschart, hielten dennoch die Katalanen lange Zeit unserem Angriff stand; die Sonne stieg am Himmel empor, die Hitze wurde

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