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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Eutern.
    «Und nun?» fragte Orsini. «Was werden wir nun beginnen?»
    «Was sollen wir schon beginnen?»
    Ich konnte nicht daran denken, Florenz wirklich anzugreifen. Es lag zu meinen Füßen strahlend und friedlich hingestreckt, von einem grünlich schimmernden Wasserband durchzogen; es bestand keine Möglichkeit, es von der Erde fortzuwischen.
    «Wir haben ansehnliche Beute gemacht», sagte ich. «Wir wollen sie nach Carmona bringen.»
    Ohne zu antworten, lächelte er, und ich ging ärgerlich fort. Ich wußte wohl, daß dieser Feldzug sehr viel Geld gekostet und uns nichts eingebracht hatte. Florenz lag zu meinen Füßen, doch anhaben konnte ich ihm nichts. Was waren nun meine Siege wert?
    Ich kündigte meinen Truppen an, daß wir den Rückweg nach Carmona antreten würden; ein Murren erhob sich im Lager. Jetzt, wo wir die Herren von Toscana waren, sollten wir es verlassen? Langsam nur wurden wir mit dem Aufpackenfertig. Als der Augenblick des Aufbruchs kam, stellten wir fest, daß Paolo Orsini nicht mehr bei uns war; über Nacht war er in die Dienste der Florentiner übergegangen mit einem Teil seiner Reiterei.
    Durch diesen Abfall geschwächt, begannen wir in Eile das Arnotal hinunterzuziehen; die Soldaten sangen nicht mehr. Bald lieferten Orsinis Truppen unserer Nachhut Geplänkel. Meine Leute, die genug hatten von ihren nutzlosen Erfolgen, brannten nun darauf, ihm eine Schlacht zu liefern; aber er kannte das Land besser als ich, und ich fürchtete seine List. Er folgte uns bis an die Grenzen von Siena und begann unter unseren Augen Mascolo anzugreifen, ein Dörfchen im Sumpfgelände. Da mein Heer sich nunmehr gleichsam verhöhnt und beleidigt fühlte, verlangte es laut nach Kampf; ein Treffen schien mir gefährlich; die Kruste über dem Schlamm der ausgetrockneten Sümpfe konnte wohl den Schritt eines Fußsoldaten tragen, aber die Hufe der Pferde brachen darin ein.
    «Ich fürchte eine Falle», sagte ich.
    «Wir sind an Zahl überlegen, wir sind die Stärkeren», rief Puzzini heftig aus.
    Ich entschloß mich zur Schlacht; auch ich sehnte mich nach dem Blutgeschmack, den nur ein Sieg über Feinde aus Fleisch und Blut geben kann. Eine gerade Straße führte durch den Sumpf; Orsini schien sie ohne Bewachung gelassen zu haben; diese betrat ich mit meinem Heer. Plötzlich, als keine Zeit mehr zum Zurückweichen war, wurden wir von rechts und von links mit einem Pfeilregen angegriffen: in jeden Busch hatte Orsini seine Posten gesetzt. Die leichte Reiterei und die Fußsoldaten tauchten auf einmal in unseren Flanken auf; sobald aber meine Leute die große Straße verließen, um die Feinde zurückzuschlagen, sanken sie in das Moor und konnten sich nicht mehr bewegen. Als der Zug einmal aus der Ordnung geraten war, brachen Orsinis Fußsoldaten auf dieStraße ein, durchbohrten die Leiber der Pferde und brachten die Reiter zu Fall, die dann unter dem Gewicht ihrer Waffen sich nicht zu erheben vermochten. Pietro Bentivoglio fand eine Möglichkeit, auf einem Fußpfad zu entkommen, der durch die Sümpfe führte: mir selber gelang es, auf der Straße einhersprengend mich durch die Feinde durchzuschlagen; aber Ludovico Puzzini wurde gefangengenommen mit 8000   Bewaffneten, von denen keiner fiel. Unser ganzer Troß und die toscanische Beute fiel in die Hände des Siegers.
    «Unsere Ehre erfordert, daß wir uns für diese Niederlage rächen», erklärten meine Leutnants.
    Ihre Augen blitzten in ihren sonst so niedergeschlagenen Mienen.
    «Welche Niederlage?» fragte ich.
    Die Soldaten Orsinis, die zu Beginn des Feldzugs unter meinem Befehl gestanden hatten, betrachteten ihre Gefangenen als weniger glückliche Waffenbrüder und setzten sie noch in der ersten Nacht wieder auf freien Fuß, so kam ich mit fast intakten Truppen nach Carmona zurück; in Villana hatten mir zwei Waffenschmiede 5000 neue Rüstungen verkauft. Ich hatte durch meine Siege nichts gewonnen und durch eine verlorene Schlacht keine Verluste gehabt.
    Mit gerunzelter Stirn blickten die jungen Offiziere mich verständnislos an. Ich ließ sie stehen und schloß mich in meine Gemächer ein, wo ich drei Tage und Nächte blieb. Ich sah vor mir Tankreds Antlitz, hart in seiner Verzweiflung. «Nützlich für wen? Und wozu?» Ich hörte die Stimme des schwarzen Mönchs: «Was du getan hast, ist nichts.»
     
    Ich beschloß, eine neue Methode anzuwenden. Unter Verzicht auf militärische Aufzüge, offene Feldschlachten, eitle Reiterattacken bemühte ich mich von nun an,

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