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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Türken ließ er sich ein, die soeben ein Heer von 20   000   Mann unter Ludwig von Ungarn aufgerieben hatten und nun eine große Gefahr für die Christenheit bildeten. Ich mußte wiederum meine Pläne aufschieben und tausend dringende Fragen ins Auge fassen.
    «Wo denken Sie Geld aufzutreiben?» fragte ich Ferdinand.
    Wir brauchten dringend Geld. Die kaiserlichen Truppen in Italien, an deren Spitze der Konnetabel von Bourbon stand, verlangten Lebensmittel und ihren rückständigen Sold: sie waren in offener Meuterei.
    «Ich dachte an die Fugger», sagte er.
    Ich hatte gewußt, daß dies seine Antwort sein würde. Ich wußte auch, wie verderblich dieser Ausweg war; die Augsburger Handelsherren verlangten Garantien, und allmählich fielen Österreichs Silberminen, die fruchtbarsten Landstriche von Aragonien und von Andalusien, alle unsere Einnahmequellen in ihre Hände; das Gold aus Amerika gehörte ihnen schon, bevor es in unseren Häfen war; so blieb die Schatzkammer leer, und wir mußten uns wieder nach neuen Anleihen umsehen.
    «Und Leute?» sagte ich. «Wo nehmen wir Leute her?»
    Er zögerte; dann sagte er, ohne mich anzublicken: «Der Fürst von Mindelheim bietet uns seine Hilfe an.»
    Ich fuhr auf. «Sollen wir uns etwa auf einen lutherischen Fürsten stützen?»
    «Was sollen wir sonst tun?» fragte er zurück.
    Ich bewahrte Schweigen. Ein einziges Mittel nur   … Was sollen wir sonst tun?   … Der Mechanismus war in Gang, das Räderwerk griff ineinander, alles lief   … leer. Karl träumtedavon, das Heilige Römische Reich wiedererstehen zu lassen, er hatte geschworen, die Kirche um den Preis seines Besitzes, seines Blutes und Lebens zu verteidigen; und nun waren wir auf dem Weg, uns auf ihre Feinde zu stützen, um gegen den Papst zu kämpfen, in dessen Namen wir in ganz Spanien und in den Niederlanden Scheiterhaufen errichtet hatten.
    «Wir haben keine andere Wahl», sagte Ferdinand mit Nachdruck.
    «Nein», sagte ich. «Man hat eben niemals die Wahl.»
    Anfang Februar zogen wir also nach Italien hinab, verstärkt durch Landsknechtstruppen, Bayern, Schwaben, Tiroler, alles in allem 8000   Mann, alles Lutheraner, an deren Spitze der Fürst von Mindelheim stand. Wir schlossen uns zunächst dem Konnetabel an, der im Arnotal auf uns wartete. Der Regen ging Tag und Nacht in schweren Güssen nieder; alle Wege waren in Wassergräben verwandelt.
    Als ich im Lager erschien, waren die meuternden Truppen soeben auf dem Weg zum Zelt des Generals; die Soldaten riefen: «Geld her oder Blut!» und hielten schon die Lunten an die geladenen Arkebusen; ihre Kniehosen hingen ihnen in Lumpen herab; ihre Gesichter waren von tiefen Narben durchzogen; sie sahen eher wie Räuber denn wie Soldaten aus.
    Ich führte 100   000   Dukaten mit mir, die auf der Stelle verteilt wurden; doch die Reiter nahmen das Gold mit schnöden Reden entgegen; sie verlangten das Doppelte. Um wieder Ruhe herzustellen, rief Mindelheim ihnen zu:
    «In Rom finden wir Gold!»
    Auf der Stelle machten sich die lutherisch gesonnenen Landsknechte, Deutsche sowie Spanier, auf den Weg nach Rom und schworen, sich an den Schätzen der Kirche gütlich zu tun, um ihre Verluste auszugleichen. Vergeblich versuchten wir sie zurückzuhalten: ein Bote, der mit der Meldung erschien, der Papst habe Frieden mit Karl gemacht, mußteeilends fliehen, um sein Leben zu retten. Auf dem Weg stießen italienische Banditen zu uns, die eine Gelegenheit zum Plündern witterten. Es war nicht mehr möglich, die Horde aufzuhalten: sie riß uns im Gegenteil mit sich fort: wir waren Gefangene unserer eigenen Truppen.
    «Heißt das Herrschen?»
    Wir ritten schweigend dahin unter dem klatschenden Regen und dem Gebrüll unserer Leute. Ich selbst hatte sie zusammengebracht, ich hatte Geld und Lebensmittel herbeigeschafft, und nun zerrten sie mich in eine sinnlose Katastrophe hinein.
    Anfang Mai rückten mehr als 14   000   Banditen unter die Mauern Roms und schrien laut nach Beute. Der Konnetabel von Bourbon, wofern er sich nicht die Kehle wollte abschneiden lassen, mußte einwilligen, sie zum Angriff zu führen: er wurde bei der ersten Attacke an meiner Seite getötet. Zweimal zurückgetrieben von den Truppen des Papstes, drangen die spanischen Söldner, lutherischen Landsknechte und italienischen Briganten schließlich in die Stadt ein. Acht Tage lang wüteten sie unter Priestern und Laien, unter Reichen und Armen, sie brachten Kardinäle und Küchenjungen um. Der Papst entfloh,

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