Alle Menschen werden Schwestern
Nacktiv-Urlaub alleine phallustieren. Keine muttilateralen Verhandlungen, mag er sich auch noch so romanntisch oder man-nisch-defressiv gebärden! Der reine Opfertunismus!
Wir treten aus der Küche aus und schicken ihn in Penision! Es ist kein großer Phallust.
1987
Gebenedeit sei die Frucht deines Leibes
Wer war die erste Putzfrau? So beginnt einer der ersten Witze, die ich als Kind von andern Kindern hörte. Antwort: Maria, die reinemacht.
Meine Eltern waren sehr christlich; der Witz hätte ihnen mißfallen. Ich aber mochte ihn, denn ich hatte schon früh meine Probleme mit der >Reinen Magd<.
Maria spielte zwar in meiner Familie nur eine geringe Rolle, wir waren evangelisch — trotzdem lernte ich früh gänzlich unverständliche Sprüche wie >Gebenedeit sei die Frucht deines Leibes< oder >Was trug Maria unter ihrem Herzen Ich wußte nicht, was sie, voller oder auch ohne Schmerzen, unter ihrem Herzen trug, und ahnte nur vage, daß es sich um etwas Unanständiges handeln mußte, das zugleich heilig war.
Das Heilig-Unanständige hing mit dieser komischen Sprache zusammen, Wendungen wie gebenedeit sei hörten wir sowieso nur in der Kirche. Auch das Wort Leib kannte ich erst nur vom Leib des Herrn, den die Erwachsenen in Form eines weißlichen Gebäcks feierlich verspeisten. Meine fromme Großmutter nannte ihr Lieblingsessen immer Leibspeise oder Leibgericht-, ich dachte, das hinge mit diesem Leib-Gebäck zusammen, bis ich kapierte, daß ihre Sprache nur ein bißchen altmodisch war. Wenn wir Bauchschmerzen hatten, sprach sie von Leibschmerzen-, ihre Unterwäsche hieß Leibwäsche. Auf meinen ersten Zeugnissen stand zwar noch Leibesübungen, das wurde aber bald in Turnen und dann in Sport abgeändert. Der Leib kam immer mehr aus der Mode und machte dem Körper Platz. Nur die Frauen, obwohl nicht mehr gesegneten Leibes wie ehedem, hatten weiterhin Unterleibsbeschwerden und mußten sich einer Unterleibsoperation unterziehen. Im Zirkus wurde manchmal, grausig, eine Dame ohne Unterleib vorgeführt, woraus zu entnehmen war, daß sie eigentlich einen hätte haben sollen. Männer ohne Unterleib gab es nie, anscheinend hatten sie sowieso keinen, jedenfalls war nie davon die Rede. Statt dessen hatten diese Fremdkörper bloß einen Oberkörper oder einen bloßen Oberkörper, jedenfalls im Sommer.
Was mir aber am meisten Kummer und Unbehagen bereitete, war diese Sache mit der Frucht. Manche Bäume und Sträucher tragen Früchte, aber Maria, die Mutter Gottes? War das Jesuskind nun eine Unterleibsfrucht oder Gottes Sohn? Beides: Marias Frucht und zum Trost Gottes Sohn. Und was war mit mir} Ich wollte ein Kind sein und keine Frucht, schon gar nicht so eine altmodische Leibesfrucht! Meine Mutter, fand ich, hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Obstbaum, und ich selber wollte später auch lieber Kinder haben als Früchte tragen. So eine Unverschämtheit!
1987
Stilleben
Neulich stieß ich in Emily Martins Buch The Woman in the Body auf die Wörter stillhirth >Totgeburt< und Stillborn >totgeboren<. Ein Kind, das unmittelbar nach der Geburt still ist, nicht schreit, ist ein totes Kind. Wenn Baby seinen >Urschrei< erledigt hat, wird es von Mama gestillt, denn alles spätere Schreien ist nicht mehr so willkommen. Es gilt vielmehr als Notsignal, außerdem als störend.
Mama ist beim Stillen meist selbst sehr still. Bewegen kann sie sich auch kaum noch. Sie muß das Baby halten, kann also nicht gleichzeitig tanzen, boxen oder Klavier spielen. Sie wird auch nicht rumbrüllen beim Stillen — was für eine abartige Vorstellung! Das Stillen ist also insgesamt eine sehr stille und reglose Angelegenheit. Ist es schöpferische Stille oder Totenstille? Das kommt ganz auf das Geschlecht an, scheint mir. Jedenfalls ist mir die/das Stille/n verdächtig geworden, seit ich über die Wörter stillborn und totgeboren nachdenke.
Neulich gab es im Deutschen Fernsehen eine Katharine-Hepburn-Retrospektive, u. a. auch einen Film über Clara Schumann. Clara muß ihre pianistische Karriere aufgeben, weil Robert ihr ein Kind nach dem andern macht (dies ist hier vielleicht wirklich der passendste Ausdruck). Robert ist des öfteren sehr sauer, weil das Kindergeschrei ihm die schöpferische Stille zerreißt.
Eine Szene des Films ist mir in besonders lebhafter Erinnerung: Clara gibt, um für ihre immer zahlreicher werdenden Lieben Geld heranzuschaffen, doch mal ein Konzert. Sie spielt Werke des Gatten, der befriedigt lächelnd im Publikum
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