Alle Orte, die man knicken kann
immer voll, und es ist dort immer laut, weil Reiseleiter in verschiedenen Sprachen die Ausmalung erklären und Mitreisende gleichzeitig diese Erklärungen kommentieren und einander übertönen müssen. Die Bilder von der Erschaffung Adams bis zum Jüngsten Gericht wurden vom Vatikan im vergangenen Jahr zur bedeutendsten schwulen Gemäldesammlung der Welt erklärt. Die erotischen Anregungen in den anschließenden vatikanischen Gärten auszuleben gilt jedoch an Karfreitag als unschicklich.
Piazza Navona, Pantheon, Fontana di Trevi, Spanische Treppe. Zwei Kilometer voller schwitzender Touristen. Die
Piazza Navona
ist der angesagte Platz für Musikanten, Schnellzeichner, miserables Eis, Nepp und schlechte Pizza. Aus dem peinlichsten der Brunnen ragt ein Obelisk, um den sich vier wurstige Männer winden – mittlerweile als Tiefpunkt des Barock anerkannt. Fünfhundert Meter weiter steht ein antiker Kuppelbau namens
Pantheon
(«allen Göttern geweiht») und spendet Schatten und Regen auch an heißen Tagen. Der Regen fällt von der Decke, weil der feuchte Atem vieler Tausender Touristen zu ihr emporsteigt, sich in der Wölbung sammelt und kondensiert wieder herabtropft. Durchschnittliche Verweildauer: bis zu zehn Tage. Es kann also sein, dass einem der Atem der japanischen Reisegruppe vom Vormonat auf die Zunge tropft (genaues Hinschmecken klärt die Herkunft!). Tausend Meter weiter sprudelt, wenn er nicht gerade trockenliegt, ein Brunnen, der von Scherzkeksen gern mit Farbe und Waschmitteln versetzt wird: die
Fontana di Trevi
. Vor dem steinernen Gerangel geschwulstiger Figuren gewann die Schauspielerin Anita Ekberg 1960 den ersten römischen Wet- T-Shirt -Contest. Tipp: Wer eine Münze in den Brunnen wirft, braucht nicht nach Rom zurückzukehren. Wer einen Schluck daraus trinkt, wird physisch nicht mehr dazu in der Lage sein. Wer nichts dergleichen tut, schafft noch die fünfhundert Meter zur Spanischen Treppe, auf deren Stufen man sitzen kann. Hochsteigen lohnt nicht.
Kirchen. Nach der Untersuchung eines Studienreisen-Unternehmens kennen Rom-Reisende zwei Wochen nach der Heimkehr nicht mehr den Unterschied zwischen San Giovanni in Laterano, San Clemente, San Pietro in Vincoli, San Paolo fuori le Mura, Santa Maria in Aracoeli, Santa Maria del Popolo und Santa Maria Maggiore («Oder war das in Venedig?»). Das gilt als gutes Zeichen. Denn die vielen Kirchen in Rom sind nicht zum Besichtigen da, sondern zum Rasten im Sommer und zum Verzehren von Brötchen in schattiger Kühle. Um die Erfrischung zu vervollkommnen,tauchen Kenner die Arme bis zum Ellbogen ins Weihwasserbecken. Die einzige Kirche mit Erinnerungswert ist Santa Maria in Cosmedin. Die Vorhalle genügt. Hier wartet die «Bocca della Verità», das «Maul der Wahrheit», ein ehemaliger Kanaldeckel mit dem Antlitz eines betrunkenen Gottes. Wer durch seinen hohlen Mund ins Innere fasst und dabei lügt, bekommt nur Kaugummipapier und Zigarettenstummel zu fassen. Wer die Wahrheit spricht, findet einen noch kaubaren Rest Kaugummi und einen noch rauchbaren Halbstummel.
Sonst noch was? Wer leiden möchte, wird in Rom eine Menge finden. Etwa die unendlichen Stufen des pathetischen Nationaldenkmals Vittorio-Emanuele-Monument, das greise Reiseleiter mit einer monumentalen Schreibmaschine vergleichen. Ein gläserner Fahrstuhl gewährt oben den Blick in den ewigen Smog. Aus römischer Zeit gibt es noch gemauerte Triumphbögen mit gnädig verdreckten Reliefs, trübsinnige Bodenmosaike (
Caracalla-Thermen
), das Ödfeld einer ehemaligen Pferderennbahn (
Circus Maximus
) und eine
Grabpyramide
an einem umtosten Verkehrsknotenpunkt. An einer Ausfallstraße können Nekrophile in die Katakomben absteigen – unterirdische Grüfte, in denen Rattenknochen gezeigt werden.
So wird man lästige Mitreisende los
Spirituell engagierten Nervtötern empfehlen wir, die berühmten sieben Hügel Roms zu besteigen. Das hat einen mystischen Grund. Auf speziellen Hügelkarten ist unschwer zu erkennen, dass die sechs Hügel um den zentralen Palatin in der Mitte einen Stern bilden. Sie heißen Aventin, Kapitol, Caelius, Viminal, Quirinal,Esquilin. Keiner ist höher als sechzig Meter. In alten Zeiten sagte man – und wir wissen es heute –, dass das Erklimmen aller sieben Hügel Gesundheit und Weisheit schenkt. Natürlich nicht demjenigen, der sie besteigt, sondern den anderen, die sie los sind.
Kulturell beflissenen Studienrätinnen und Studienräten raten wir zum Besuch des
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