Alle Orte, die man knicken kann
Protestantischen Friedhofs. Dort liegt «Goethe Filius», Goethes Sohn August, der angesichts der Stadt Rom zum Alkoholiker wurde. Der Friedhof ist am besten per Metro zu erreichen. Die Station heißt Piramide. Dass auf dieser Metrolinie fast die Hälfte der römischen Taschendiebe unterwegs ist, verschweigen wir lieber. Die andere Hälfte benutzt übrigens die Buslinie 64 (Stazione Termini – Petersdom). «Eine tolle Sightseeing-Tour zum Preis eines einfachen Bustickets!», verraten wir den quälenden Langweilern.
Geheimtipp für unsere geselligen Nervtöter: Trastevere. Der Stadtteil jenseits des Tibers hat eine tolle Promenade am Fluss (wenn man Beton und Abwässer liebt), und der Abschnitt zwischen Petersplatz und Engelsburg gilt als Insidertipp (für Handtaschenräuber und Halskettenreißer). Supertoll sind die vielen kleinen Restaurants (jedenfalls für Kellner, die hier ihre Meisterschaft im Rechnungsfälschen austragen). Top-Insider-Tipp!
Typisch Rom
Harmonisches Zusammenleben. Rom gilt als der einzige Ort Italiens, an dem Ndrangheta, Mafia, Cosa Nostra und Camorra sich gleichermaßen wohlfühlen und sogar harmonisch zusammenarbeiten. «Als eines der wichtigsten Zentren der organisierten Kriminalitätdarf Rom nicht durch Revierkämpfe gefährdet werden», gab Candeloro Parrello zu Protokoll, dessen Ndrangheta immerhin fünfzig Milliarden Euro umsetzt. Das organisierte Verbrechen ist unverzichtbar für Italiens Wirtschaft. Schön, dass sie zentral in Rom so gut läuft!
Öffentliches Sterben. Nach dem weltweiten Erfolg, den das live übertragene Sterben des Papstes Johannes Paul II. hatte, ist im Vatikan ein interner Streit entbrannt. Johannes Paul ließ sich auf eigenen Wunsch in verschiedenen Stadien des Todeskampfes ans Fenster schieben. Soll das nun jedes Mal so sein? Es hätte Tradition: Im alten Rom war öffentliches Sterben (Cato, Scipio, Cassius, Marc Anton, Varus, Agrippina die Ältere, Seneca, Petronius, Nero) Ehrensache. Als ungeklärt gilt noch die Rechtevergabe.
Unverdauliche Landesspezialitäten
Man kann in Rom Pizza essen. Freunde des Echten bevorzugen jedoch eine typische Trattoria. Der
pancotto -Suppe
(aus altbackenem Brot) oder der
zuppa di fagioli e cipolle
(dicke Bohnen, Zwiebeln, Bauchspeck) folgt dort
coratella di abbacchio
(Lammgeschlinge),
animelle al prosciutto
(Bries mit Schinken),
milza in umido
(geschmorte Milz) oder schlicht
pajata
(Gedärm). Diese Gerichte, deren Übersetzung aus guten Gründen meist nicht auf der Karte steht, verdanken sich der Kunst römischer Schlachter, für Touristen das «quinto quarto» eines Tieres – meist eines Schweines – zu verwerten. Also das eigentlich nicht existente «fünfte Viertel», das aus Borsten, Zähnen, Knorpeln, Darmschlingen, Schwanzquasten und Füßen besteht.
Bon appetito
, spricht der Wirt lächelnd. Er selbst isst das Beste der realen vier Viertel.
Das reicht für das Expertengespräch
«Rom ist immer laut und immer kurz vor dem Verkehrskollaps. Ich möchte da nicht Bürgermeister sein.» Das klingt nach Expertentum. Dem Bildungsreisenden empfahl der Kunsthistoriker Eckart Peterich den Kennersatz: «Mir haben vor allem die frühchristlichen Kirchen gefallen.» Leider besteht das Risiko der Nachfrage: «Welche denn besonders?» Darauf solle man gar nicht erst eingehen, riet Peterich, sondern nach vorn fliehen: «Ach, und die byzantinischen Mosaiken! Das muss man mit eigenen Augen gesehen haben!» Gut macht sich dann der Seufzer: «So etwas hat es später nie mehr gegeben. Oder?» Er zeugt von tiefempfundener Wehmut um den vergehenden Glanz des Abendlandes und eröffnet ein Gespräch über die Abwärtsspirale der Kultur. Abend gesichert.
Das meinen Kenner
«Man muss Rom nicht kennen, um es zu hassen. Aber es hilft enorm.»
– Marcello Mastroianni, Schauspieler
«In Rom wohnen Leute, die wissen, dass sie in die Hölle kommen. Sie wollen einfach schon mal trainieren.»
– Anna Magnani, Schauspielerin
«Die Bauten des alten Rom sind der beste Beweis dafür, dass den Architekten der Antike wenig eingefallen ist.»
– Ernesto Basile, Architekt
V enedig wurde im Spätmittelalter als Freizeitpark für Bildungsreisende entworfen. Wie viele inzwischen da waren, weiß niemand. Pro Jahr sind es zwanzig Millionen. Wer zu Hause geblieben ist, bekommt etwas von
morbidem Charme
zu hören nebst der Ermahnung: «Fahr bald hin, Venedig versinkt!» Diese Prophezeiung ist nachweislich zweihundert Jahre alt
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