Alle Orte, die man knicken kann
Enthusiasmus oder nur Staunen, sondern in Äußerungen wie: «Aha, da sind sie also.» Es sind eben nur sandfarbene Kunstberge, die keineswegs an Prachtentfaltung erinnern, sondern an Abraumhalden. Dass im Inneren Sarkophage standen, deren Inhalt auf erneuerte Weltherrschaft wartete, macht den monumentalen Flop nur noch deutlicher. Die zweite Reaktion ist übrigens nicht Enttäuschung, sondern ein Fluchtreflex. Das liegt an der Fülle schwitzender Einheimischer, die Kamelritte, Postkarten, heilsamen Skarabäenkot und Pharaonenpüppchen aus Plastik verkaufen wollen.
2. Das Sphinx. Die Pyramiden – Cheops, Chephren, Mykerinos plus drei kleinere für Damen – sind schnell umrundet, die paar Reliefs besichtigt, die Gruppenfotos gemacht, die insektenhaften Händler abgewimmelt, vielleicht noch ein stickiger Gang durchkrochen, fertig. Da trifft es sich gut, dass nebenan jener Löwenkörper mit verrutschten Gesichtszügen wartet, der lange «die» Sphinx hieß, dann dreißig Jahre lang «der» Sphinx. Nun soll der pfuschartig behauene Bröckelfelsen in «das» Sphinx umgetauft werden; weil es sich um ein sexuelles Neutrum handele oder vielmehr um ein doppelgeschlechtliches Zwitterwesen. Doch der Gag rettet auch nichts mehr. Der die das Sphinx ist live wesentlich unscheinbarer und jämmerlicher als auf den Fotos. Alle hoffen auf die demnächst geplante pausbäckige Replik.
3. Die Pyramiden von Sakkara. Es ist üblich, eine Nilkreuzfahrt zu buchen, aber man kommt auch mit dem Bus hin: Jenseits einiger Lehmhütten und braunstichiger Felder steht eine Stufenpyramide,von deren Treppenaufgang vor dreitausend Jahren ein Pharao zur Himmelfahrt abheben wollte. Hat nicht geklappt. Bei den benachbarten kleineren Pyramiden misslang sogar die Statik. Mal gab es einen Knick in der Optik, mal geriet das Ganze zu einer Art verfallenem Ameisenhaufen. In einige dieser Ruinen kann man hineinkrabbeln. Faustregel: Wer nicht wieder rauskommt, wird unter einem Pharao wiedergeboren, üblicherweise in der mittleren Beamtenlaufbahn. Tröstlich für die Hinterbliebenen ist ein Gartenrestaurant am Rand des versandeten Gräberfeldes.
4. Tempelstau in Karnak. Karnak ist ein Dorf bei Luxor. Luxor hieß noch Theben, als die Pharaonen sich hier immer neue Standbilder und Tempel zusammenbauen ließen. In Karnak gibt es die größte Ansammlung mittelmäßig behauener Steine. Also jede Menge Obelisken, Reliefs, dicke Säulen und flachbäuchige Statuen, die man alle herrlich filmen oder fotografieren könnte, wenn nicht rund hunderttausend Leute pro Tag dasselbe tun wollten. Warum nur, warum? Für Werbefotografen und
Hercule-Poirot- Verfilmungen
wird die Anlage immer gesperrt. Für den Rest der Besucher ist sie ungenießbar. Es bleibt: «Aber wir waren wenigstens da.»
5. Luxor-Tempel. Dieses Gelände wird gewöhnlich abends besichtigt, weil es mitten in der Stadt liegt und bei Tag zu trübsinnig wirkt. Die Beleuchtung widmet sich vor allem den Kapitellen der Säulen und den Gewölben und lässt die unten sich drängenden Massen in Dämmerung versinken. Sphinxen (Kenner sagen Sphingen) mit verwaschenen Widderköpfen liegen Spalier an einer Allee, die mal nach Karnak führte, jetzt aber an baufälligen Mietskasernen endet. Es gibt noch eine sitzende Statue von irgendeinem Ramses sowie eine stehende Statue und einen Obelisken, bei dem die meisten Besucher sagen: Nun reicht es langsam. Aber es geht immer weiter.
6. Tal der Könige. Hört sich prächtig an, ist aber nur ein staubiges Wüstental gegenüber von Luxor auf der anderen Nilseite. Absperrgitter wie in Disneyland lotsen die Warteschlangen an gnadenlosen Folterknechten vorbei: schwitzenden Souvenirhändlern, die jeden Besucher komplett mit «Ramsches» ausrüsten möchten, wie sie es nennen. Der halbe Kilometer bis zum eigentlichen Eingang wird so zur gefühlten letzten qualvollen Todesmeile. Das Tal selbst besteht aus Sand und Fels und Schachteingängen. Von angeblich über sechzig sollen sich zehn Grabkammern lohnen. Von denen sind immer drei geöffnet – wechselweise und verlässlich so, dass man denkt, die anderen wären toll gewesen. Sind aber alle nur heiß und stickig. Fotografieren ist wegen ein paar schwächelnder Wandgemälde verboten.
7. Hatschepsut-Tempel. Um die Ecke von den Herren Königen: die Königinnen. Vor allem eine Regentin hat sich hier monumentale Tempelterrassen nebst Statuen an einen Berghang pflanzen lassen: die gestrenge Hatschepsut. Ihr
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