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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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mittelalterlichen Hochhäuser. Ranzige Zimmer, zerkochtes Essen, gepanschter Wein. Dagegen echt süß: die im Dunkeln aus den Gullys kletternden und an Hauswänden entlanghuschenden Ratten.
    Santiago de Compostela, Spanien:  Lieblingspilgerort deutscher Entertainer, katholischer Gemeinden und spiritueller Wanderer, weltweit größter Umschlagplatz für Calamares mit Fritten plus Weihrauch satt. Zu wenig Klos, aber viele Suchende.
    Siena, Italien:  Das düstere Gegenstück zu Florenz. Kulturreisende im Gänsemarsch, die alle die Piazza del Campo toll finden, weil sie sich endlich hinsetzen dürfen. Klos dauerhaft belegt, weil die in den Restaurants servierten weißen Trüffel nachhaltig abführend wirken.
    Skotino bei Gouves, Kreta, Griechenland:  Labyrinthisches Gängesystem, das in mythischer Zeit dem Stiermenschen Minotauros als Wohnung und Indoor-Sportplatz diente. Er hinterließ eine Sammlung von Staub und Steinen nebst muffigem Geruch. Gibt’s auch woanders.
    Slantschew brjag, Bulgarien, auch Abendsonnenstrand genannt:  Größtes Dementenheim am Schwarzen Meer (45   000   Betroffene auf 800   Hotels verteilt). Täglich Schweineborsten plus Sättigungsbeilage. Toleranzmedaille der National Alzheimer’s Association.
    Supetarska Draga, Kroatien:  Von den vielen Buchten der Insel Rab ist diese die wandlungsfähigste: Ihr Aroma verstärkt sich im Laufe des Tages, bis man um 20   Uhr die Fenster schließen muss. In zwölf Jahren soll eine funktionierende Kanalisation gebaut werden.
    Thorpe Park, Surrey, England:  Sommerlicher Freizeitpark in der Nähe der Ortschaft Chertsey. Die schnellsten und steilsten Achterbahnen Europas oder der Welt oder des Universums führen bei älteren Besuchern (ab 28) zu Hörstürzen, Netzhautablösungen, Migräne, Schiefhals, muskulären Dysbalancen und Depressionen. Schmerzensgeldforderungen schwierig. Aber dieGeschäftsführer werden nach Unfällen auf dem Gelände regelmäßig ausgewechselt.
    Torremolinos, Spanien:  Vor vierzig Jahren Ziel junger Aussteiger, die jetzt an quietschenden Rollatoren in den Supermarkt schlurfen. Der Ort ist längst gnadenlos zubetoniert und gilt als Symbol des Gruselgrills namens Costa del Sol.
    Tschenstochau, Polen:  auch Częstochowa oder kurz Zahnstochau: Fünf Millionen Bustouristen pro Jahr sorgen dafür, dass die Stadt schwarz von Abgasen ist. Die Hotels sind düster, mittlerweile ist sogar das angebetete Gnadenbild (Madonna) schwarz. Günstige Zahnarztpraxen.
    Wien, Österreich:  Ansehnlichste Stadt des Balkans, zugleich dessen Eintrittstor nach Europa. Opernfußball, Wasserwein, Hofratswitwen. Einflussreiche Kanalisation. Nur unzureichend umgesetzt wurde der Sanierungsvorschlag von Karl Kraus: Änderung des Dialekts und Verbot der Fortpflanzung.

Afrika

Ägypten
    W er sich an Gräbern nicht sattsehen kann, ist in Ägypten richtig. Wer sich für Inzest interessiert, ebenfalls. Hier heirateten Geschwister untereinander, Herrscher schwängerten ihre Töchter, und Königinnen holten ihre Söhne ins Bett, um die Ahnenreihe sicherzustellen. Diese
Kultur der Pharaonen
hat ein paar geschrumpfte Leichen hinterlassen sowie einige Tempel, Keller und übertriebene Grabhügel. Erbaut wurden diese Denkmale von Millionen zum Frondienst gepeitschten Sklaven und Zwangsarbeitern. Grund genug für die Unesco, die Stätten zum Weltkulturerbe zu erklären. Vierzehn Millionen Touristen stolpern jedes Jahr durchs Geröll und fahren mit gefälschten Andenken und Lungen voller Staub wieder ab. Das angebliche Rätsel von Grabkammern und Pyramiden haben sie nicht gelöst. Aber immerhin haben sie das Interesse daran verloren. Den Daheimgebliebenen können sie fortan erzählen, wie lästig die Händler sind, wo
Tod auf dem Nil
gedreht wurde und warum
Die Mumie
nicht so bald wiederkommt. Und dass es überall schrecklich voll war. Seit Thomas Cook vor hundertfünfzig Jahren die Pauschalreise für Briten und Amerikaner erfand, hier in Ägypten, ist der Fremdenverkehr zur unverzichtbaren Einnahmequelle des Landes geworden. Der Nobelpreisträger Nagib Machfus hielt die Tourismusindustrie für die moderne Plage Ägyptens. Die eigentlichen Plagen sind hingegen die Besichtigungen, denen unschuldige Reisende hier unterworfen werden.
    Die zehn ägyptischen Plagen
    1.   Die Pyramiden.  Die Pyramiden befinden sich gleich außerhalb von Kairo, auf einem Plateau namens Gizeh. Laut Umfrage der Tourismusbehörde besteht die erste Reaktion bei ihrem Anblick nicht in

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