Alle Orte, die man knicken kann
mitkommen, denn wir werden so leicht seekrank. Und zur Statue kommt man nur mit der Fähre. Die legt von der Südspitze ab. «Bis später im Hotel!» Den Tag haben wir frei. Die Wartezeit auf die Fähre beträgt zwei bis drei Stunden. In dieser Zeit besteht für unseren Onkel Gelegenheit zu Gesprächen mit den Souvenirhändlern, die die Schlange abgrasen. Nach der Überfahrt hängt er auf der sturzlangweiligen Insel herum. Auch dort warten Schlangen von Leuten, die alle wieder wegwollen. Die Statue hat von nahem allenfalls schattenspendende Wirkung. Wenn der Onkel sich mobil beschwert, raten wir ihm zur
Staten Island Ferry
, einer Pendlerfähre, von deren Reling er einen exzellenten Blick auf Skyline und MissLiberty hat. «Das machen alle.» Leider braucht die Fähre recht lange bis nach Staten Island und fährt auch keineswegs gleich zurück. Mit etwas Glück sehen wir den Onkel übermorgen zum Frühstück.
Kaufhäuser. Die redselige Frau Ebermann hat sich an uns gehängt? Oder die schon ziemlich lange alleinstehende Susanne? «Ihr zwei müsst einfach in die berühmten Kaufhäuser. Ihr habt beide einen sicheren Geschmack. Euch ist es zuzutrauen, ihr findet die Schnäppchen! Wir sind schon gespannt!» Die berühmten Kaufhäuser heißen Macy’s, Bloomingdale’s und Saks Fifth Avenue. «Die liegen alle nicht weit auseinander und machen zufällig jetzt gerade Sale!» Ein bisschen wandern müssen unsere beiden dahin schon. Es wird sie hoffentlich nicht stören, dass sie in den vollgemüllten Stockwerken ausschließlich auf Touristen treffen. Die meisten schleppen sich entnervt ins Restaurant auf dem Dach. Denn die große Zeit der Kaufhäuser ging auch in New York schon in den Achtzigern zu Ende. Seither ist immer Sale. Für den permanenten Ausverkauf wird extra Ramsch produziert mit Schildern, die total enorme Riesenrabatte versprechen. Lediglich bei Möbeln und Teppichen, meinen Kenner, kann man noch echte Schnäppchen machen. Moment mal! Ja, warum nicht? Klingt optimal für unsere Reisenden!
All Loop Tour. Für unsere neugierigen Lästigen haben wir eine düstere Botschaft: Wir planen für den anbrechenden Tag einen zehnstündigen Fußmarsch. «Wir möchten mal versuchen, die ganze Halbinsel zu umrunden.» Unsere Lieblinge stöhnen auf und erklären, warum sie uns das nicht zutrauen. Sie brauchen ja nicht mitzukommen. Mitfühlend setzen wir sie in einen Sightseeing-Bus der
Gray Line.
Die haben einen
Uptown Loop
im Programm und einen
Downtown Loop
. Wir raten unseren Freunden aber dringend zur
All Loop Tour
, damit sie auch mal nach Brooklyn kommen.«Ihr könnt überall aussteigen, wo es euch gefällt, und jederzeit dort oder woanders wieder zusteigen! Vielleicht seht ihr uns ja am Ufer entlanghumpeln!» Unwahrscheinlich. Denn wir setzen uns in ein Gartenrestaurant im Central Park. Weil wir einfach mal einen Tag ausspannen wollen. «Ihr hattet recht», erzählen wir am nächsten Tag unseren gestauchten Busfahrern. «Wir mussten früh aufgeben.»
Typisch New York
Sozialneid. Seit unter Obama die Gelddruckmaschine angeworfen wurde, ist der Dollar abwärtsgetrudelt und der Umtauschkurs günstig. Trotzdem ist New York überraschend teuer. Hier muss man Geld haben oder wegziehen. Der dreißig Jahre alte Science-Fiction-Klassiker
Die Klapperschlange
prophezeite Manhattan eine Zukunft als düsteres, eingezäuntes Gangsterghetto. Anfang der achtziger Jahre schien die Entwicklung in so eine Richtung zu laufen. Doch in den Neunzigern wurden rigorose Anti-Kriminalitätsprogramme aufgelegt, die zum Gegenteil geführt haben. Manhattan ist eine saubere Stadt geworden. Eine Stadt, in der sich Reiche wohlfühlen. Womit verdienen diese Leute eigentlich so viel Geld, dass sie ganze Stockwerke in feinen Häusern besitzen? Unten steht ein Wachmann und winkt bei Bedarf die Limo herbei, die extrem gedehnte mit den undurchsichtigen Fenstern. Robert De Niro zog in den Achtzigern ins Absturzviertel Tribeca (etwas nördlich von Ground Zero). Seither haben sich die Immobilienpreise dort verzehnfacht, und die Noblen sind unter sich. Mit ein paar Abstrichen gilt das für ganz Manhattan. Die Gegend rund um den South Street Seaport, ehemals verrufen, ist ein Sahnestück geworden, indem Großmütter mit offenen Handtaschen spazieren gehen können. Die Gangster müssen irgendwo anders rumhängen. Auch die Kreativen sind ausgewandert. Musiker, Maler, Freaks, von denen Manhattan früher voll war, können sich nur noch Besuche leisten. Grollen
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